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Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)

Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Katia Fox
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Aufmerksamkeit. Der Novizenmeister mit seinen Schützlingen war auf dem Weg zur Abteikirche. Sicher war auch Thomas dabei, sehen aber konnte sie ihn nicht.
    Ein Lächeln zuckte um ihren Mund. Sie liebte den Gesang der Mönche und drängte darum nun mit den Pilgern zum Gotteshaus. Seit bald dreihundert Jahren kamen die Gläubigen in Scharen zur Abtei, um am Schrein des heiligen Edmund niederzuknien und zu beten. Edmund, einst König von East Anglia, war durch die Dänen besiegt und enthauptet worden, weil er sich geweigert hatte, Christus, den Sohn Gottes, zu verleugnen. Der abgetrennte Kopf, so erzählten sich die Leute, sei in den nahe gelegenen Wald gerollt, wo ihn die Getreuen des Königs tagelang gesucht hatten. »Wo seid Ihr, Herr?«, sollen sie immer wieder gerufen haben, und irgendwann, so hieß es, habe der Kopf schließlich geantwortet. Die Alten hatten jene Geschichte von ihren Großeltern gehört und die wiederum von ihren Ahnen. Den Kopf des heiligen Edmund, so sagten sie, habe man zwischen den Klauen eines großen grauen Wolfes gefunden, der das Fleisch des heiligen Mannes nicht angerührt hatte, obwohl er fast verhungert war. Zahm wie ein Lamm sei er noch bis zur Stadt neben den Männern hergelaufen und dann plötzlich verschwunden. Gott habe den Wolf damit beauftragt, den Kopf des heiligen Edmund vor wilden Tieren zu schützen, behaupteten die Leute einhellig und bekreuzigten sich dreimal, wenn sie davon erzählten. Niemand zweifelte daran, dass der heilige Edmund Wunder vollbrachte. Viele hatten davon gehört, unzählige hatten es gesehen oder am eigenen Leib erfahren. Also kamen die Menschen, junge wie alte, in Scharen und nahmen auch weite, oft beschwerliche Reisen in Kauf, um ihre Anliegen, von Gebeten und großzügigen Gaben gestützt, beim heiligen Edmund vorzubringen.
    Inmitten der drängenden Menge gelangte Catlin nur mit Mühe ins Innere der Kirche, wo die Pilger enge Schlangen bildeten und sich die Wartezeit mit Gebeten oder dem Austausch von Neuigkeiten verkürzten. Energisch drängte sie sich an einer Gruppe Gläubiger vorbei zum Chor, erntete unfreundliche Blicke, scherte sich jedoch nicht darum, war sie doch keine Pilgerin und nicht wegen des Schreines gekommen. Sie wollte einzig jenen ganz bestimmten Platz im Kirchenschiff erreichen, von dem aus der Gesang der Mönche am besten zu hören war.
    Kurz vor einem der steinernen Pfeiler, die das Gewölbe des Gotteshauses trugen, blieb sie stehen, schloss die Lider und wartete. Mit jedem Augenblick, der verfloss, schälten sich aus dem Gemurmel ringsum einzelne Worte und Satzfetzen heraus. Plötzlich war das Quietschen einer Tür zu hören, schlurfende Schritte auf Stein folgten, dann ein Rumpeln, als die Tür wieder ins Schloss fiel. Die Mönche kamen!
    Ledersandalen schabten über den Boden, dann war ein Hüsteln zu hören. Als die Mönche endlich zu singen begannen, stand Catlin wie angewurzelt da, vollkommen entrückt, die Augen fest geschlossen, den Kopf voller Musik, nichts als Musik. Alles andere war vergessen. Die Pilger mit ihren Anliegen, die Bauleute, der Markt, sogar die Sorge, der Vater könne sie schelten, wenn sie zu spät heimkam. Nichts war von Bedeutung, solange sie nur der Musik lauschen konnte. Jede einzelne Stimme war ihr vertraut. Die weiche, süffige Stimme von Bruder Godfrey, einem etwas rundlichen Mönch mit breitem Gesicht und fülligem Haarkranz um die Tonsur, die rauchige Stimme von Bruder Simon, die genauso geheimnisvoll war wie der Bruder selbst, die schnarrende Stimme von Bruder Anselm, der unentwegt in Eile war, oder die pergamentartige von Bruder Jeremias, einem langen, dürren Mann mit Hakennase und üblem Atem. Auch die Stimmen der Novizen zu unterscheiden war nicht schwer. Am schönsten klang Thomas’ Stimme. Sie stach so deutlich hervor, dass Catlin in der Erwartung, sogleich zu Tränen gerührt zu werden, den Atem anhielt. Doch Gänsehaut und Ergriffenheit blieben aus. Sie runzelte die Stirn und schlug die Augen auf. Thomas? Sie lugte um die Ecke, durch den Spalt zwischen den beiden reich verzierten steinernen Tafeln hindurch, die Mönche und Pilger voneinander trennten. Wieso sang er nicht? Mit unruhigem Blick tastete sie die Reihen der Novizen ab. Thomas war nicht dabei. Ob er krank oder wieder einmal bestraft worden war? Die Mönche waren streng und Thomas nicht annähernd so diszipliniert, wie es von einem Novizen erwartet wurde.
    Catlin war enttäuscht und ein wenig besorgt, darum beschloss sie
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