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Das Todeshaus

Das Todeshaus

Titel: Das Todeshaus
Autoren: Scott Nicholson
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Rinder waren von ihrer ehemals eingezäunten Weide geflohen und grasten jetzt durch den Obsthain mit seinem verlockend duftenden, saftigen Gras. Am Ufer des kleinen Teiches, der sich am Fuße des Hanges erstreckte, suhlten sich Schweine und die Zaunkönige trällerten eine Melodie, die den Neuanfang der Welt verkündete.
    Noch einmal sah Anna nach Masons Wunden. Er hielt seine Hand in das Wasserfass, in das aus einem Schlauch kaltes Quellwasser aus den Bergen floss. Er hatte Verbrennungen zweiten Grades. Es würden wahrscheinlich Narben zurückbleiben, aber die Wunden würden irgendwann heilen.
    Die Zeit heilt ALLE Wunden, dachte Anna. Selbst ohne irgendwelche Zaubermittel oder Kräuter. Selbst wenn man nicht über Leben und Tod herrschte.
    Paul riss einen Fetzen seines Shirts ab, tauchte das Stück Stoff ins Wasser und verband damit Masons Schnittwunde am Arm. »Ich war mal Pfadfinder«, sagte er.
    »Adler-Abzeichen?« fragte Mason mit schmerzverzerrtem Gesicht.
    »Nein. Ich habe es gerade einmal bis zum Bussard oder so geschafft.«
    »Tut mir leid wegen deines Freundes.«
    »Ja, schon gut. Darum kümmere ich mich, wenn ich mich nicht mehr selbst belüge. Wenn ich begriffen habe, was wirklich passiert ist.«
    »Wir alle haben unser Päckchen zu tragen«, erwiderte Mason. »Und wir lernen aus unseren Fehlern.«
    »Ich wünschte, ich hätte meine Videobänder retten können. Dann könnte ich reich und berühmt werden. Wer wird uns jetzt schon glauben?«
    »Ich glaube es ist besser, wir haben keine Beweise«, meinte Mason. »Und wenn du dir mal überlegst, welchen Preis man für Erfolg und Ruhm bezahlt, dann ist es am Ende doch gar nicht so toll.«
    »Steht er unter Schock?« fragte Anna Paul.
    Paul schaute in Masons Augen, fühlte dann seinen Puls. »Nein. Vielleicht kurz davor, aber—«
    »So schnell werdet ihr mich nicht los«, sagte Mason.
    »Ein Schock ist gar nicht so schlimm«, entgegnete ihm Anna. »Der beste Freund eines sterbenden Soldaten.«
    »Wie kommst du denn darauf?«
    »Keine Ahnung. War nur so ein Gedanke.«
    Paul stand auf und rieb sich die Augen. »Ich denke, wir sind alle ein bisschen verwirrt. Oder alle Opfer einer Massenpanik. Meine Kamera hat nicht gelogen.«
    »Alles musste weichen«, sagte Anna. »Denn alles gehörte Ephram Korban.«
    »Wie können wir dann jemals beweisen, dass es real war?«
    »Ich glaube, wir wollen das gar nicht beweisen«, meinte Mason.
    »Ich frage mich, ob man den Rauch unten im Tal gesehen hat«, überlegte Cris.
    »Wahrscheinlich nicht«, erwiderte Anna. »Sonst hätte man doch schon Sirenen gehört oder der Forstdienst wäre schon längst hier.«
    Es war eigenartig, daran erinnert zu werden, dass fernab von diesem Berg auch noch eine andere Welt existierte, eine Welt der Vernunft und Ordnung, in der die Toten zum Großteil in der Erde blieben und die Menschen ein ganz normales Leben führten. Anna steuerte auf die eingefallene Scheune zu. »Gott sei Dank ist die Feuerwehr nicht gekommen und hat das Feuer gelöscht, was? Ich denke nämlich, es ist besser, wenn von Ephram nichts übrig bleibt.«
    »Was wollen wir ihnen sagen?« wollte Mason wissen. »Was hier wirklich passiert ist?«
    »Darüber können wir uns später Gedanken machen. Jetzt müssen wir sehen, wie wir hier weg kommen. Es soll da ein paar alte Wege geben, die seitlich am Berg nach unten führen. Wenn ich einen gefunden habe, reite ich bis zum Fluss und folge dem Verlauf bis ich auf eine Straße treffe.«
    »Du brauchst doch bestimmt einen Begleiter, oder?« fragte Mason.
    »Aber niemanden mit Höhenangst. Außerdem brauchst du Ruhe.«
    »Dann gehe ich eben mit«, schlug Zainab vor.
    Anna schüttelte ihren Kopf. »Nein, du wirst hier gebraucht. Und ich habe sehr viel Erfahrung mit Pferden. Da bin ich allein schneller.«
    Paul nickte. »Der Schreiberling hat Probleme mit dem Atmen. Hat wohl ein bisschen zu viel Rauch abbekommen. Viel Glück, Anna.«
    Paul, Cris und Zainab gingen zur Straße hinauf, wo Spence und Bridget wie Geister um das Fundament des Hauses herumschlichen. Aber es gab keine Geister mehr auf Korban Manor. Sie alle waren weiter gezogen, an einen unbekannten Ort, wo sie ihre wahre Bestimmung fanden. Sie waren nicht mehr die Marionetten von Miss Mamie, die sie als Vorlage für ihre kleinen, plumpen Puppen benutzt hatte. Sie hatten endlich Ruhe vor Korban gefunden, der sich in ihre Seelen eingebrannt und sie ihrer Träume beraubt hatte.
    Das Herrenhaus lag in Schutt und Asche. Ephram Korban
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