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Das Todeshaus

Das Todeshaus

Titel: Das Todeshaus
Autoren: Scott Nicholson
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wagen ihn zu kritisieren?
    »Und dann halte mich bitte aus der Sache raus.« Sie stapfte davon, drehte sich dann noch einmal um und stemmte die Hände in die Hüften. »Ich weiß nicht, was ich jemals in dir gesehen habe. Jetzt sehe ich deinen miesen Charakter auf jeden Fall klar und deutlich.«
    »Bitte geh nicht.«
    »Hattest du nicht einmal gesagt, dass das immer dein liebstes Kapitel ist? Das Ende? Nun, ich für meinen Teil finde, das letzte Kapitel ist auch für uns geschrieben.«
    Spence schaute ihr hinterher. Sie war egal. Sie war doch nur eine weitere Requisite, eine weitere Charakterstudie. Eine von der unbedeutenden Sorte. Er stand im schwarzgrauen Ascheregen und wartete auf das WORT, hoffte darauf, dass ihm die Eingebung von oben kam.
    Wenn er sich an die Geschichte erinnern, sie wieder mit Leben füllen könnte, dann würde sich ihm das WORT vielleicht wieder offenbaren.
    War es nicht irgendwie um die Nacht gegangen? Er berührte die zerknüllte Seite in seiner Jacke. Vielleicht hatte er später, wenn viele Jahre vergangen waren, den Mut sie zu lesen. Und vielleicht würde sie ihm einen Hinweis auf den endlosen Bann der Nacht geben.
    Doch die Nacht verflüchtigte sich, trat den Rückzug über die in der Ferne stahlblau schimmernden Berge an, zog weiter zu anderen Schriftstellern, die ihr neues Leben einhauchen würden. Jetzt konnte sie über einen anderen Teil der Welt ihren liebenden Mantel ausbreiten, ihre Gaben verteilen, ihre geheimen Sätze flüstern. Und Spence war mal wieder allein mit den Worten, auf sich gestellt.
    Und weiter regnete die Asche auf sein geschundenes Haupt.

 
     
     
    82. KAPITEL
     
    Mason versuchte, die Finger seiner verbrannten rechten Hand zu bewegen. Schmerzblitze zuckten seinen Arm hinauf, hielten an der Schnittwunde an seiner Schulter kurz inne, um dann mit geballter Ladung in sein Gehirn zu schießen. Er biss sich auf die Zunge und unterdrückte ein Schreien.
    Vielleicht war dies der Kern jedes Leidens. Es war die Kunst des Opferns. Es ging nicht darum, das Hungern auszuhalten, um Anerkennung zu kämpfen oder die Angst vor dem Versagen zu bezwingen. Vielleicht ging es einfach nur darum, etwas zu Ende zu bringen, loszulassen. Und zu realisieren, dass die Träume, die man mit Leben füllt, einfach nicht in diese Welt passen und deshalb besser das bleiben, was sie sind: Träume.
    Die härtesten Kritiker kamen nicht aus New York oder Paris. Sie lehrten nicht an den Kunstschulen. Sie trugen keine Baskenmütze, hatten keinen Schnurrbart und tranken auch keinen Espresso. Manchmal waren sie einfach in deinem Spiegel zu Hause.
    »Und, was macht die Kunst?« wollte Anna wissen und zog den Sattelgurt am Bauch des Pferdes fest. Sie hatte starke Hände.
    »Nun, ich werde wohl die Bildhauerei für eine ganze Weile an den Nagel hängen.« Mason dachte an sein Werkzeug, das irgendwo im Keller des Hauses unter einem Haufen aus Asche und Knochen begraben lag. Er wollte es auf keinen Fall wiedersehen.
    Anna nickte verständnisvoll und rückte dann den Sattel zurecht. Als sie über die Ohren des Pferdes strich, schnaubte der Morgan genüsslich.
    Er musste sie einfach fragen. »Wie war es … du weißt schon?«
    »Tot zu sein?« Nachdenklich starrte Anna ins Leere.
    »Hm, ja.«
    »Jemand, der mich liebt, hat einmal gesagt, der Tod ist genauso wie das Leben, nur schlimmer.«
    Mason blickte der Rauchwolke hinterher, die vom Wind fortgetragen wurde. In der Luft lag der Geruch von Äpfeln. Jetzt, wo die Sonne aufgegangen war, strahlte der Himmel in winterlichem Eisblau.
    Bald würde der Dezember die Landschaft mit einer Schneedecke einhüllen. Dann würden die Nächte wieder kürzer werden und mit dem hereinbrechenden Frühling würde dort, wo einst das Herrenhaus stand, neues, frisches Gras wachsen. Brombeersträucher und Akazien würden aus dem verbrannten Boden sprießen. An das Geschehene würde nur noch eine hauchdünne Staubschicht erinnern, die den steinernen Untergrund wie ein Schleier überzog. Die Sonne würde auf- und untergehen, die Jahreszeiten würden kommen und gehen, das Rad der Zeit würde sich unaufhörlich in ein und dieselbe Richtung drehen.
    Vorwärts.
    »Was hast du so für die Zukunft geplant?« wollte Mason wissen.
    »Keine Ahnung. Auf jeden Fall hab ich von Metaphysik genug. Mögen die Toten in Frieden ruhen. Sie haben es verdient.« Sie setzte einen Fuß in den Steigbügel und schwang sich gekonnt auf das Pferd.
    »Und wie sieht ’ s bei dir aus?«
    »Mal sehen, was
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