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Das Testament der Götter

Das Testament der Götter

Titel: Das Testament der Götter
Autoren: Christian Jacq
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genoß man die Kühle, während man Käse aß und Bier trank. Brav hatte sich in ganzer Länge auf Branirs Terrasse ausgestreckt und träumte von dem Stück gebratenen Ochsenfleisch, das er soeben verspeist hatte. In der Ferne bildeten die Pyramiden der Ebene von Gizeh Dreiecke von vollendeter Reinheit, Grenzsteine der Ewigkeit im Dämmerlicht. Wie an jedem Abend der Herrschaft Ramses’ des Großen schlummerte das Land in Frieden und mit der Überzeugung ein, daß die Sonne die Schlange der Tiefen bezwingen {70} und im Morgengrauen wiedererstehen würde.
    »Du hast das Hindernis überwunden«, meinte Branir.
    »Ein magerer Erfolg«, wandte Paser ein. »Du bist als rechtschaffener und sachkundiger Richter anerkannt, und du hast die Möglichkeit erhalten, die Ermittlung ohne jedes Hemmnis fortzuführen. Was will man mehr?«
    »Ascher hat gelogen, dabei stand er doch unter Eid. Ein Mörder und gleichzeitig ein Meineidiger.«
    »Deine Geschworenen haben dich nicht gerügt. Weder der Vorsteher der Ordnungskräfte noch Nenophar haben danach getrachtet, den Heerführer als unschuldig hinzustellen. Sie haben dich deinem Schicksal anheimgestellt.«
    »Der Älteste der Vorhalle hätte mir die Angelegenheit liebend gerne entzogen.«
    »Er hat Vertrauen in deine Fähigkeiten, und der Wesir möchte einen hieb- und stichfesten Vorgang, um mit Bedacht einzuschreiten.«
    »Ascher ist so umsichtig gewesen, die Beweise zu vernichten; ich fürchte, meine Nachforschungen könnten unergiebig bleiben.«
    »Dein Weg wird lang und schwierig sein, doch du kannst zum Ziel gelangen. Bald wird dir die Unterstützung des Hohenpriesters von Karnak zugute kommen, und du wirst Zugang zur Schriftenverwahrung des Tempels erhalten.«
    Sobald Branirs Berufung amtlich sein würde, wollte Paser über den Diebstahl des himmlischen Eisens und des Dächseis ermitteln.
    »Du bist dein eigener Herr geworden, Paser. Unterscheide das Recht von der Unbilligkeit, ohne den Ratschlägen jener zu erliegen, die sie verquicken und vertauschen, um die Geister in die Irre zu führen. Diese Gerichtsverhandlung war lediglich ein Geplänkel; der wahre Kampf bleibt noch zu fechten. Auch Neferet wird stolz auf dich sein.«
    Im Licht der Sterne erstrahlten die Seelen der Weisen. Paser dankte den Göttern, die ihm erlaubt hatten, einem von ihnen in der Welt der Menschen zu begegnen.
     
    Wind des Nordens war ein stiller und versonnener Esel. Er stieß nur selten den für seine Art bezeichnenden Schrei aus, der so rauh und markerschütternd war, daß er ein ganzes Gäßchen aufweckte. Paser fuhr aus dem Schlaf hoch. Dies war tatsächlich der Ruf seines Esels, der an jenem frühen Tagesanbruch erscholl, da Brav und er sich einen faulen Morgen zuzubilligen gedachten. Der Richter öffnete das Fenster. Zu Füßen des Hauses hatten sich an die zwanzig Menschen zusammengeschart. Der Oberste Arzt Neb-Amun schwang die Faust. »Hier stehen die besten Heilkundigen von Memphis, Richter Paser! Wir erstatten Anzeige gegen unsere Standesschwester Neferet wegen Zubereitung gefährlicher Arzneien und fordern ihren Ausschluß aus der Körperschaft der Heilkunde.«
    Paser ging zur heißesten Stunde am Westufer von Theben an Land. Er beschlagnahmte einen Wagen der Ordnungskräfte, dessen Lenker im Schatten eines Vordaches schlief, und befahl diesem, ihn in voller Fahrt zu Neferets Dorf zu bringen. Als unumschränkte Herrscherin hielt die Sonne die Zeit an, verlieh den Palmen ein ewigliches Grün und verdammte die Menschen zur Stille und zur Trägheit. Neferet war weder in ihrem Heim noch in ihrer Wirkstätte.
    »Am Kanal«, erklärte ein Greis, für einen kurzen Augenblick seinem Schlaf entrissen. Paser ließ den Wagen stehen, ging ein Kornfeld entlang, durchquerte einen schattigen Garten, schlug einen kleinen Pfad ein und gelangte zum Kanal, in dem sich zu baden die Dörfler die Gewohnheit hatten. Er kletterte die steile Böschung hinunter, teilte einen Vorhang aus Schilf … und sah sie. Er hätte rufen, die Augen schließen, sich umdrehen müssen, doch kein Wort drang aus seinem Mund, und er verharrte regungslos, derart bezauberte ihn die Schönheit der jungen Frau.
    Nackt schwamm sie mit der Anmut derer, die nicht gegen das Wasser ankämpfen und sich tragen lassen. Das Haar unter einer Haube aus Binsen, tauchte sie mühelos unter und wieder auf. An ihrem Hals hing eine mit türkisfarbenen Perlen gezierte Kette.
    Als sie ihn erblickte, schwamm sie unbekümmert weiter.
    »Das Wasser ist
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