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Das Tartarus-Orakel

Titel: Das Tartarus-Orakel
Autoren: Matthew Reilly
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dem Fels gehauenen Leiter, die zur nächsten Ebene führte.
    Die einzige Ausnahme bildete die Leiter zwischen der ersten und zweiten Ebene – sie befand sich genau in der Mitte der Höhle, vom Nord- und Südeingang gleich weit entfernt, als wollte Imhotep V. zwei gegnerische Parteien zu einem Wettlauf herausfordern.
    Da jeder der schmalen Simse aus dem puren Diorit gehauen war, waren Kletterhaken sinnlos – sie fanden in dem harten, schwarzen Gestein keinen Halt. Um nach oben zu gelangen, musste man jede Ebene durchqueren und die dort angebrachten Fallen überwinden.
    Und es waren viele Fallen!
    Die mächtige Wand war in unregelmäßigen Abständen mit kleinen, geschwungenen Brüstungen bewehrt, die sich über die Simse zogen und Fallen verdeckten.
    Zudem war der Fels mit Hunderten von basketballgroßen Löchern übersät, die wer weiß welche tödlichen Flüssigkeiten enthielten. Und wo man keine Löcher schlagen konnte, schlängelten sich lange, steinerne Schütten über den Fels abwärts – sie sahen ein bisschen so aus wie umgedrehte Schornsteine, die sich nach unten öffneten und jederzeit Giftstoffe über den unachtsamen Eindringling ergießen konnten.
    Als er die Löcher sah, bemerkte West auch den deutlich wahrnehmbaren Ölgeruch in der Luft, der ihn erahnen ließ, was aus einigen von ihnen kommen könnte.
    Und es gab noch eine letzte Besonderheit.
    Die Kluft.
    Das war eine mächtige, zerklüftete Spalte, die sich von unten nach oben über die ganze Felswand samt der Simse hinwegzog. Sie sah aus wie ein trockenes Flussbett, nur dass sie nicht horizontal sondern vertikal verlief.
    An der Decke der Kaverne bildete sie eine tiefe Kluft, aber zum Fuß der Wand hin wurde sie breiter und gabelte sich in zwei schmälere Spalten.
    Ein plätschernder Wasserfall strömte von einer unbekannten Quelle hoch oben im Berg bis nach unten.
    Wenn man die Kluft auf einem der vier Simse überqueren wollte, musste man entweder auf Zehenspitzen über ein kaum fußbreites Felsband balancieren oder über eine schmale Spalte springen … beides unmittelbar vor Felslöchern oder anderen dunklen Einbuchtungen in der Wand.
    Der Wasserfall, der durch die Kluft herabströmte, speiste einen breiten See am Fuß der Felswand – einen See, der West und sein Team vom europäischen Trupp trennte; ein See, in dem rund sechzig Nilkrokodile hausten, die entweder schliefen, herumschwammen oder übereinander krochen.
    Und unmittelbar unter der Decke der gewaltigen Anlage befand sich ein kleiner, aus dem Gestein gehauener Durchgang, der zum sagenhaften Schatz der Mine führte.
    Dem Kopf eines antiken Weltwunders.

    West spähte über den Rand des Ausstiegsloches und betrachtete die Europäer und ihren halbfertigen Kran.
    Vor seinen Augen schleppten Dutzende von Männern weitere Bauteile für den riesigen Kran in die Kaverne und übergaben sie an Ingenieure, die ihre Montage beaufsichtigten.
    Inmitten dieses Treibens entdeckte West den Leiter der europäischen Expedition, den Jesuitenpater del Piero, der aufrecht dastand und die Hände auf dem Rücken verschränkt hatte. Del Piero war 68 Jahre alt, hatte schüttere, glatt anliegende schwarze Haare, unheimlich wirkende Augen, ein von tiefen Falten durchzogenes Gesicht und die strenge Miene eines Mannes, der sein Leben lang über andere Menschen die Stirn gerunzelt hat.
    Doch Wests Augenmerk galt vor allem der kleinen Gestalt, die neben del Piero stand.
    Ein kleiner Junge.
    Mit schwarzen Haaren und noch schwärzeren Augen.
    Wests Augen wurden groß. Er hatte diesen Jungen schon mal gesehen. Vor zehn Jahren …
    Der Junge stand mit auf den Rücken verschränkten Händen neben del Piero und imitierte die herrische Haltung des alten Jesuiten.
    Er musste etwa in Lilys Alter sein.
    Nein , berichtigte sich West, er ist genauso alt wie Lily.

    Wests Blick schweifte zu dem Kran.
    Es war ein schlauer Plan.
    Sobald der Kran aufgebaut war, konnten die Europäer den ersten Sims überwinden und direkt auf den zweiten gelangen.
    Dadurch umgingen sie nicht nur rund zehn Fallen, sondern vermieden auch die gefährlichste Vorrichtung in der Kaverne: die zentrale Falle.
    West kannte sie aus dem Text des Kallimachos, aber del Piero und die Europäer hätten auch aus anderen antiken Schriften über Imhotep V. davon erfahren können.
    Zwar hatten auch andere Baumeister ihre ureigenen Fallen entwickelt, aber Imhotep V. hatte die zentrale Falle erfunden, die beim Vorrücken auf die innerste Kammer der Anlage ausgelöst
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