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Das Südsee-Virus

Das Südsee-Virus

Titel: Das Südsee-Virus
Autoren: Dirk C. Fleck
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die melancholische Bürde zu nehmen. Es müsste ihm gelingen, ihre Erinnerung freizulegen, die durch den Schock des Verrats verschüttet worden war. Sie sollte wieder spüren, welch großartige Rolle sie dort draußen in der Welt gespielt hatte, wie wichtig sie den Menschen immer noch war, die durch sie Inspiration und Hoffnung erfahren hatten. Die nächsten zwei Tage surfte er auf Rudolfs Satellitentelefon im Internet. Rudolf wich nicht von seiner Seite. Er durfte nicht zulassen, dass Steve heimlich telefonierte, so weit ging die Freundschaft noch nicht. Aber Steve hatte nicht vor zu telefonieren, er klickte sich bei seinen Recherchen in einen wahren Rausch. Am Ende besaß er einen ganzen Sack voll neuer Informationen, von denen er sicher war, dass sie Maeva gefallen würden.
    Worüber hatte er sich Gedanken gemacht? Maeva freute sich über seinen Besuch, sie war liebenswürdig und aufmerksam, sie hatte es nicht mehr nötig, ihren Charme mechanisch einzusetzen wie noch während ihrer letzten gemeinsamen Tage auf Morongo Uta. Trotz des Schleiers vor ihrem Gesicht und obwohl sie nur das Notwendigste redete, war sie Steve fast so vertraut wie vor der Entführung.
    »Eigentlich dürfte man dich nie mehr von hier fortlassen«, bemerkte er scherzhaft, »als Märtyrerin bist du doppelt so viel wert. Die Entwicklungen dort draußen zeigen es …«
    Er hätte sich auf die Zunge beißen mögen, das war nun wirklich daneben. Also rettete er sich in die Aufzählung der »Good News«, die er dem Internet entnommen hatte. An erster Stelle nannte er das, was Malcolm Double U und seine Milliardärsfreunde getan hatten, und zwar im ausdrücklichen Gedenken an Maeva. Vierundzwanzig der wohlhabendsten Männer der Welt hatten zusammengelegt und mal eben den brasilianischen Regenwald gekauft. Jedenfalls das, was von ihm übrig war. Dadurch war der Belo-Monte-Staudamm verhindert worden, um dessen Bau es ein zwanzigjähriges Gezerre gegeben hatte. Der Damm hätte im Herzen Amazoniens eine Narbe hinterlassen, größer als der Panamakanal. Riesige Teile des Regenwaldes wären überflutet worden, und die Indianer hätten ihre Lebensgrundlage verloren.
    »Außerdem beabsichtigen Malcolm Double U und seine Money Men, die Urwälder im Kongobecken zu erwerben. Die Dschungel von Indonesien sollen ebenfalls auf ihrer Einkaufsliste stehen«, berichtete Steve stolz. »Ich weiß nicht, ob du von der Studie der Citigroup gehört hast. In dieser Studie kommen die großen Investoren der Welt zu dem Schluss, dass es sich bei den Industrieländern Indien, Brasilien und den Vereinigten Staaten nicht länger um Demokratien handelt, sondern um Gesellschaftsformen, die einzig und allein auf den Gewinn der ein Prozent Superreichen ausgerichtet sind. Solange die Superreichen dir folgen, kann es uns doch recht sein. Wie es aussieht, kann man sich auch durch Reichtum rächen …«
    Er hätte Maeva gerne in die Augen gesehen, aber die waren unter der dünnen Gaze nur zu erahnen. »Apropos Brasilien und Indien«, fuhr er fort, »den Giganten sind die ersten Regionen weggebrochen. Aus Indien haben sich Goa, Andhra Pradesh und Kerala den URP angeschlossen, in Brasilien sind es die Provinzen Paraná und Mato Grosso. Die URP zählen jetzt doppelt so viele Mitglieder wie vor deinem Verschwinden, das ist der absolute Wahnsinn!«
    Maeva saß ihm stumm gegenüber, ihr Brustkorb hob und senkte sich wie ein Korken in der Dünung. Steve fühlte sich ihrem verschleierten Blick kaum mehr gewachsen.
    »Du hast Geschichte geschrieben, Maeva!«, unterbrach er ihr Schweigen. »Du hast es fertiggebracht, den Trend zur Globalisierung endgültig umzudrehen! Erinnerst du dich an Omais Worte im Hafen von Papeete, bevor die Boote nach Makatea aufgebrochen sind? Die Natur ist uns heilig, hat er gesagt, wir müssen begreifen, dass wir sie nicht ausbeuten, sondern beschützen müssen, wenn wir reich werden wollen … Immer mehr Menschen scheinen genau das zu begreifen. Dank dir! Seit der industriellen Revolution hat es eine so umfassende Veränderung nicht mehr gegeben. Im sozialen Bereich ebenso wie auf wirtschaftlichem und ökologischem Gebiet. Aus Gesellschaften werden Gemeinschaften! Ich hab dir doch mal erzählt, dass ich auf Samuraifilme stehe. Am Schluss kommt es immer zum Showdown. Die Schwerter fliegen so schnell, dass man mit bloßem Auge kaum nachkommt. Schließlich treten die Kämpfer zurück. Der gute Samurai sieht in der Regel sehr mitgenommen aus, sodass man glaubt, er
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