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Das Südsee-Virus

Das Südsee-Virus

Titel: Das Südsee-Virus
Autoren: Dirk C. Fleck
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Auf dem Rücken wuchs die Hälfte eines Flügels.
    »Was bedeutet dieses Tattoo?«, fragte Cording flüsternd.
    »Es handelt sich um Toro«, antwortete Rauura mit bemüht fester Stimme, als könne er sich der Fremden gegenüber keine Blöße erlauben. »Toro ist der Gott der dunklen Nächte. Gelegentlich zieht er los, um Menschen zu entführen.«
    Cording verspürte einen stechenden Schmerz in der Brust, als habe ihm jemand ein Messer zwischen die Rippen gerammt. Die Frau, die Rauuras Erklärung in Ruhe abgewartet hatte, blickte ihn ungerührt an. Sie ließ die Augen auch nicht von ihm, als sie ihre rechte Schulter bloßlegte, auf der ein Vogelmensch zu sehen war, dessen einer Arm in den Himmel zeigte, während der andere auf den Boden deutete.
    »Das ist König Kai Makoi«, sagte Rauura leise, »der wiedergeborene Gott, der aus der Erde entsprang.« Es klang, als habe er sich geschlagen gegeben.
    Cording klammerte sich an die Lehne der Couch. Auch Omai, dessen Augen zu engen Schlitzen verengt waren, blickte wie hypnotisiert auf die rätselhafte Person, die nun triumphierend ihren Hals freilegte, auf dem sich zwei Eidechsen in einem schwarz-weißen Kreis wanden. In der vergessenen Tattoosprache der Maori war dies das Zeichen für den Willkommensgruß »MAEVA!«. Rauura wusste das, den anderen wurde dies erst überdeutlich klar, als Steve und Rudolf plötzlich in den Salon traten und sich zu beiden Seiten der Rächerin aufbauten.
    Cording glaubte, ohnmächtig zu werden. In ihm tobte ein Gemisch aus Scham, Reue und Schmerz – er war an die Grenze seines Lebens gestoßen …

Nachwort
    Dieser Roman stellt die Brücke zum »Tahiti-Projekt« her, das sich seit seinem Erscheinen im Jahr 2008 zu einem formidablen Dauerbrenner entwickelt hat. Maeva, Cording, Steve, Knowles – sie alle spielten schon im »Tahiti-Projekt« eine Rolle. Aber man muss den Vorgängerroman nicht gelesen haben, um diesen hier zu verstehen. Schaden kann es aber nicht. Im »Tahiti-Projekt« erzähle ich die Geschichte einer Inselgesellschaft, die sich jenseits des globalen Wahnsinns neu orientiert, die nicht gegen die Natur, sondern mit ihr arbeitet. Ihr sozioökologisches Wirtschaftsmodell funktioniert. Ein harmonisches Zusammenspiel zwischen Natur und umweltschonender Technik ist möglich. Alle gesellschaftlich relevanten Bereiche wie Energie, Mobilität, Baubiologie, Geld- und Steuersystem, Bodenrecht, Landwirtschaft, Bildungswesen, Grundversorgung und vieles mehr kommen im »Tahiti-Projekt« auf den Prüfstand. Die neuen Konzepte sind nur befriedigend umzusetzen, wenn sie im Verbund wirken und vom gleichen Geist getragen werden. Wie sagte schon Sokrates: Nicht das Leben ist von Bedeutung, sondern die Lebensführung.
    Die Idee zu »Das Südsee-Virus« entstand, nachdem klar geworden war, wie groß das Potenzial an Lesern ist, das sich für eine »konkrete« Utopie wie das »Tahiti-Projekt« begeistern kann. Als hungerten wir geradezu nach einer positiven Perspektive, von der es aus verständlichen Gründen nicht viele gibt. Es ist die Zeit der Untergangsliteratur. Ich selbst habe mit »Palmers Krieg« (1992) und »GO! – Die Ökodiktatur« (1993) zwei heftige Dystopien vorgelegt. Aber die Untergangsliteratur von heute ist längst Teil der Unterhaltungsindustrie geworden und insofern kaum noch ernst zu nehmen.
    Meine Protagonistin Maeva sollte den Geist des Tahiti-Projekts in die Welt tragen, wie ein positives Virus, das von der Südsee aus auf den gesamten Globus übergreift. Das war die Idee. Es ist ein Buch zwischen Hoffen und Bangen geworden, anders geht es wohl auch nicht, wenn die Handlung von Tahiti auf die Weltbühne verlagert wird. Es handelt sich ja hier um eine literarische Hochrechnung. Und wer den selbstmörderischen Mechanismus der Gier erkannt hat, der unseren Planeten zu vernichten droht, sollte sich schon einen Schuss Realismus bewahren, wenn er ins Träumen gerät. Der von den Menschen längst eingeleitete Ökozid geht an den Nerv allen Lebens. Aber es ist schön, sich eine Figur auszudenken, die zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort ist, um die müde gewordenen Herzen der Menschen wiederzubeleben. Maeva ist diese historische Person, die als Ökokriegerin nur deshalb Erfolg haben kann, weil sie ihre Botschaft von einem neuen Natur- und Menschenverständnis vor dem Hintergrund eines kollabierenden kapitalistischen Systems in die Welt trägt. In der Mediengesellschaft von morgen ist es durchaus denkbar, dass eine Jeanne
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