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Das Steinbett

Das Steinbett

Titel: Das Steinbett
Autoren: Kjell Eriksson
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signalisierte, daß sie mit ihr sprechen wollte. »Eine ältere Frau, die sehr aufgeregt war, hat angerufen und nach dir gefragt«, sagte die Sekretärin.
    »Und, worum geht es?«
    »Sie heißt Viola und wohnt auf Gräsö«, antwortete die Sekretärin. Lindell nahm das Bedauern in ihrem Blick wahr, noch ehe sie richtig verstanden hatte, was gesagt worden war.
    »Was ist passiert?« brachte sie heraus.
    »Du sollst sie anrufen. Sie meinte, du hättest die Nummer.«
     
    Lindell verließ ihre Kollegen ohne ein Wort der Erklärung und lief in ihr Büro. »Edvard«, murmelte sie, »Edvard.« Als sie mit zitternder Hand Violas Nummer tippte, fiel ihr der Traum wieder ein.
    Die alte Frau nahm sofort ab, so als hätte sie neben dem Telefon gewartet. »Ich bin es, Ann, was ist passiert?«
    Sie hörte Violas angestrengte Atemzüge. »Es geht um Edvard«, sagte Viola und wurde durch einen Hustenanfall unterbrochen.
    »Ja und?«
    »Er ist ins Meer gegangen, und …«
    Der Schreibtisch schien zu schwanken. Sie tastete nach einem Halt und stieß an einen Stapel mit Berichten, die auf den Boden fielen. Für einen Moment wurde ihr schwarz vor Augen. Die Beine gaben nach, und sie blieb zwischen den Blättern auf dem Fußboden liegen.
    Lindell zog den Hörer zu sich heran und hörte Violas Rufe.
    »Aber er lebt, liebes Kind, er lebt.«
    Mit einemmal haßte sie die alte Frau; das Gefühl verschwand jedoch ebenso schnell, wie es gekommen war. Sie setzte sich. Das war knapp, dachte Lindell.
    »Er wollte die Netze einholen und ist ins Meer gegangen«, begann Viola.
    Warum benutzt sie nur diese Formulierung, dachte Lindell und wurde wieder wütend.
    »Er hat sich wieder hochgezogen, und nach einer Stunde konnten wir mit dem Boot an ihn ran. Es war Victor, der Alte«, sagte Viola, und nun hörte Lindell, daß die Frau den Tränen nahe war.
    »Der Alte«, wiederholte Lindell mechanisch und weinte.
     
    Sie brauchte einige Zeit, um sich soweit im Griff zu haben, daß sie zu ihren Kollegen zurückkehren konnte.
    Sie waren gerade dabei, die Reste ihrer Mahlzeit wegzuräumen, als Lindell den Raum betrat. Es wurde totenstill, alle sahen sie an. Sie sah die Sorge in ihren Augen und mußte kämpfen, daß sie nicht wieder in Tränen ausbrach. »Es ging um Edvard«, sagte sie, »er ist heute morgen mit dem Boot gekentert. Es war stürmisch, und dieser dumme Kerl ist trotzdem hinausgefahren, um die Netze einzuholen.«
    »Und?« fragte Ottosson und trat einen Schritt näher.
    Sie wollte in diesem Moment nicht, daß er sie berührte – wie er das sonst immer tat, wenn sie niedergeschlagen war –, den Arm um ihre Schultern legte und etwas Nettes sagte.
    »Er hat sich das Bein gebrochen, aber das ist erst passiert, als man ihn aus einer Untiefe rausfischen wollte. Er ist auf den Felsen ausgerutscht.« Sie sah die Erleichterung in den Augen ihrer Arbeitskollegen. Nie zuvor hatte sie sich ihnen so verbunden gefühlt wie in diesem Moment.
    Lindell blieb eine Weile sitzen. Auf ihrem Teller lag noch mehr als die Hälfte der Portion, aber sie hatte keinen Hunger mehr. Beatrice blieb abwartend im Türrahmen stehen und sah Lindell zu, als sie lustlos die Essenreste wegräumte.
    »Kannst du weitermachen?«
    Lindell drehte sich zu ihr um.
    »Ja, natürlich«, antwortete sie, aber mit den Gedanken war sie auf Gräsö.
    Edvard war in Östhammar medizinisch versorgt worden und lag in der Ambulanz. Sie versuchte ihn sich in einem Krankenbett vorzustellen, aber es fiel ihr schwer. Wie sollte der ungeduldige Edvard das nur aushalten? Lindell hatte Viola gesagt, daß sie am Abend nach Östhammar fahren würde.
     
    Die Verhöre wurden fortgesetzt. Lindell ging von Raum zu Raum. Teresia Wall, die von Beatrice verhört wurde, sah verängstigt aus. Lindell versuchte vergeblich, sich zu erinnern, was am Anfang des Verhörs gesagt worden war, aber es fiel ihr nicht ein. Die beiden hatten nur ein wenig geplaudert.
    Berglund, der sich nun darauf konzentrierte, Mortensen über seine Beziehung zu Cederén zu befragen, sah müde aus. Mortensen erklärte, daß es bei den Streitigkeiten mit seinem Forschungsleiter im Winter und Frühjahr um den weiteren Kurs des Unternehmens gegangen sei. Mit Tierversuchen habe das nichts zu tun gehabt.
    »In diesem Punkt waren wir uns vollkommen einig«, behauptete Mortensen. »Sven-Erik war ein seriöser Wissenschaftler, der niemals zugelassen hätte, daß die Grenzen des ethisch Vertretbaren überschritten werden.«
    »Vielleicht haben Sie sich
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