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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel
Autoren: Brad Meltzer
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zurück.
    »Wetten?«
    Das Spiel war geboren. An diesem Nachmittag hat ein würdevoller Senator in C-SPAN vor der ganzen Nation von der Bedeutung von »... chemische Reinigung der Umwelt« geredet.
    Zunächst blieben es Kinkerlitzchen. Versteckte Sätze in einem Redeentwurf, ein Akronym in Antrittsreden. Dann wurde es größer. Vor ein paar Jahren hat ein Senator bei einer Rede nach seinem Taschentuch in der Brusttasche gegriffen und sich die Stirn mit einem Damenslip aus Seide abgetupft. Er hat es amüsiert als einen unschuldigen Fehler seines Wäschedienstes abgetan. Es war kein Versehen.
    Damals ist das Spiel zum ersten Mal ins Licht der Welt getreten, was die Organisatoren veranlaßt hat, die zur Zeit gültigen Regeln aufzustellen. Es ist alles ganz einfach: Bei den Gesetzesentwürfen, auf die wir wetten, ist der Ausgang klar definiert. Vor ein paar Monaten wurde das Clean-Diamond-Gesetz mit einem Abstimmungsergebnis von vierhundertacht zu sechs verabschiedet. Letzte Woche ist die Hurrikanschutzverordnung mit vierhunderteins zu zehn durchgekommen, und heute sollte die »Baseball für Amerika«-Verordnung eigentlich mit etwa dreihundert zu einhundert Stimmen in Kraft treten. Ein überwältigendes Ergebnis und die perfekte Vorlage, darauf zu wetten.
    In der Highschool haben wir versucht herauszufinden, ob Jennifer Luftig einen Büstenhalter trug oder nicht. In der Grundschule haben wir Bingokarten gebastelt, auf denen wir die Kinder notierten, die am meisten redeten. Dann haben wir gewartet, bis sie ihren Mund aufmachten. Wir haben alle Arten von Spielchen gespielt. Schaffst du zwölf Stimmen mehr? Kriegst du den Kongreßabgeordneten aus Vermont dazu, dagegen zu stimmen? Steigerst du die Neins auf einhundertzehn, selbst wenn hundert Stimmen das vernünftigerweise Mögliche sind? Politik wurde schon immer als Spiel für Erwachsene betrachtet. Wen sollte es überraschen, wenn Leute darauf wetten?
    Natürlich war ich zunächst skeptisch, bis ich begriff, wie unschuldig es eigentlich ist. Wir verändern keine Gesetze, verabschieden schlechte Entwürfe oder streichen uns unsere Leninbärtchen und stürzen unsere Demokratie. Wir spielen innerhalb der Grenzen, deshalb sind wir sicher. Und da macht es auch Spaß. Fast, als sitze man in einer Konferenz und wette darauf, wie oft dieser nervige Bürokollege »Ich« sagt. Man kann ihn herausfordern und alles versuchen, es zu verändern, aber am Ende sind die Ergebnisse trotzdem dieselben. Auf dem Capitol Hill werden neunundneunzig Prozent der Gesetze von überwältigenden Mehrheiten verabschiedet, obwohl wir in Demokraten und Republikaner geteilt sind. Es sind nur die wenigen kontroversen Gesetzesvorlagen, die es in die Medien schaffen. Dadurch läuft der Job Gefahr, in eine sich wiederholende, monotone Schinderei abzugleiten, es sei denn, man findet eine Möglichkeit, ihn interessant zu gestalten.
    Mein Pager vibriert in meiner Hand. 103, benachrichtigt mich Harris.
    »Okay, kommen wir zum Weißen Haus«, sagt Trish, die immer noch an ihrer Liste arbeitet. Das hat sie sich bis zum Schluß aufgespart. Das Repräsentantenhaus hat sieben Millionen Dollar für bauliche Verbesserungen am Weißen Haus bewilligt. Der Senat hat, auf Antrag von Trishs Boß, das Programm einfach herausgestrichen.
    »Komm schon, Trish«, bettelt Ezra. »Du kannst ihnen nicht einfach taube Nüsse in die Hand drücken ...«
    Trish hebt eine Braue. »Das werden wir sehen ...«
    Typisch Senat. Trishs Boß stellt sich nur aus einem Grund stur. Der Präsident strebt nach einer Einigung in einem Rassendiskriminierungsprozeß gegen die Kongreßbibliothek. Senator Apelbaum, Trishs Boß, ist einer der wenigen Politiker, die darin verwickelt sind. So kurz vor der Wahl würde er lieber alle hinhalten und über den Prozeß Stillschweigen bewahren, damit er ja keine negativen Schlagzeilen macht. Also kontert der Senator. Nach Trishs selbstgefälligem Grinsen zu urteilen, kostet sie jede Sekunde aus.
    »Warum teilen wir die Differenz nicht einfach?« schlägt Ezra vor. Er kennt unser übliches Vorgehen bei Kompromissen. »Rückt dreieinhalb Millionen heraus, und fordert den Präsidenten auf, das nächste Mal seinen Bibliotheksausweis mitzubringen.«
    »Hör genau zu ...« Trish beugt sich drohend über den Tisch. »Er kriegt keinen einzigen schmutzigen Peso.«
    107, sagt mein Pager.
    Ich lächele, während das Limit näherrückt. Wer auch immer die Organisatoren oder, wie wir sie nennen, die Kerkermeister sind - sie
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