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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel
Autoren: Brad Meltzer
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Nach acht Jahren in der Tretmühle habe ich fast vergessen, wie sich das anfühlt. Selbst wenn ich verliere, spielt das keine Rolle. Der Kick ist das Spiel selbst.
    Die Kerkermeister wissen wirklich genau, was sie tun. Glücklicherweise tun sie es jede Minute wieder. Ich werfe einen Blick auf die Wanduhr. Zwei Uhr. Genau um zwei. Das hat Harris gesagt, als ich ihn gefragt habe, wie wir erfahren, wann die nächste Wette angesetzt wird.
    »Keine Sorge«, hat er gelassen erwidert. »Sie geben uns ein Zeichen.«
    »Ein Zeichen? Was für eins?«
    »Das erkennst du schon. Eben ein Zeichen. So wissen sie, daß du in deinem Büro bist, wenn sie Instruktionen ausgeben.«
    »Und wenn ich es übersehe? Wenn ich im Saal bin ... oder sonst irgendwo im Capitol? Wenn das Zeichen gesendet wird, während ich nicht hier bin?«
    »Vertrau mir, dieses Zeichen kannst du nicht übersehen«, erwiderte Harris nachdrücklich. »Ganz gleich, wo du bist...«
    Mein Blick gleitet über Trishs Schulter zum Fernsehgerät. Nach dem Ende der Abstimmung richtet sich die Kamera wieder auf das Podium des Sprechers. Von wo aus auch der Präsident seine Ansprache zur Lage der Nation richtet. Im Moment konzentriere ich mich jedoch ausschließlich auf den kleinen ovalen Mahagonitisch davor. Dort sitzen die Stenographen des Repräsentantenhauses und klicken ihre Mitschriften in die Geräte. Sie halten jedes Wort fest, das hier geäußert wird. Verläßlich wie jeden Tag stehen nur zwei Objekte auf diesem Tisch: zwei leere Wassergläser und zwei weiße Untersetzer, auf denen sie abgestellt werden. Den Legenden zufolge stellt der Kongreß seit zweihundert Jahren zwei Gläser dorthin, eines für jede Seite. Jeden verdammten Tag. Heute ist es anders. Zählt man die Gläser heute, kommt man nur auf eines. Man kann es nicht übersehen. Nur ein Glas und nur ein Untersetzer.
    Das ist unser Code. Unser Zeichen. Ein leeres Wasserglas, das den ganzen Tag über die Mattscheibe flimmert, für alle sichtbar.
    Es klopft leise an der Tür, und wir drehen uns alle vier bei dem Geräusch herum. Ein Junge in einer grauen Hose, einem billigen blauen Blazer und einem blau-rot gestreiften Schlips tritt ein. Er ist höchstens sechzehn, und hätte ihn nicht die Uniform schon verraten, dann auf jeden Fall das rechteckige Namenschild an seinem Revers. Die fetten weißen Buchstaben auf schwarzem Grund verkünden:
    Page des Repr äsentantenhauses Nathan Lagahit
    Er ist einer von zweieinhalb Dutzend Pagen. Sie holen und bringen die Post und versorgen uns mit Wasser. Die einzigen Personen, die auf dem Totempfahl hier auf dem Hügel noch tiefer rangieren als ein Assistent.
    »Entschuldigen Sie ...«, beginnt er, als ihm klar wird, daß er uns unterbrochen hat. »Ich suche Matthew Mercer ...«
    »Das bin ich.« Ich winke ihm zu.
    Er eilt zu mir und sieht mir kaum in die Augen, als er mir einen versiegelten Umschlag reicht. Ich bedanke mich, aber da hat er den Raum schon wieder verlassen.
    Normale Post kann von einer Sekretärin geöffnet werden. Oder von einem Assistenten im Büro. FedEx will einen Absender wissen. Ein Botenservice verschlänge ein kleines Vermögen, wenn man ihn ständig benutzte. Die Pagen des Repräsentantenhauses und des Senats hinterlassen nicht einmal einen Fußabdruck. Sie sind jeden Tag hier, und da sie nichts weiter tun, als Botengänge zu erledigen, übersieht man sie leicht. Geister in blauen Blazern, auf die niemand achtet, und da alle Pagen nur mündliche Instruktionen erhalten, gibt es keinerlei konkrete Aufzeichnungen, wohin ein bestimmtes Paket geht. Das ist das Beste daran.
    Ein leeres Wasserglas befiehlt mir, an meinem Schreibtisch zu warten. Ein versiegelter Umschlag aus der Hand eines Pagen sagt mir, was ich als nächstes tun soll. Willkommen zum Tag der Spiele.
    »Trish, kannst du uns nicht in der Mitte entgegenkommen?« bettelt Ezra, während Trish ihren Kopf schüttelt.
    Ich ziehe mich aus ihrem Disput heraus, schiebe meinen Stuhl vom Tisch zurück und drehe den Umschlag in der Hand. Wie immer ist er vollkommen unbeschriftet. Nicht einmal mein Name oder meine Büronummer stehen drauf. Würde ich den Pagen fragen, woher er ihn hat, würde er erwidern, jemand aus der Garderobe hätte ihn gebeten, ihm einen Gefallen zu tun. Nach sechs Monaten habe ich aufgegeben, herauszufinden, wie der innere Mechanismus des Spiels funktioniert.
    Ich schiebe meinen Daumen unter die Lasche und reiße den Umschlag mit einem kurzen Ruck auf. Drinnen liegt wie immer ein
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