Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Spiel des Saengers Historischer Roman

Titel: Das Spiel des Saengers Historischer Roman
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
sehe nicht aus wie die Sünde, ich bin eine Augenweide«, stellte ich richtig und trieb mein Ross an. Manchmal war es angebrachter, den lüsternen Augen die Weide zu entziehen, vor allem, wenn fanatische Priester in der Gegend waren.
    Wir erreichten unbehelligt den nördlichen Wachturm, hinter dem hoch der runde Bergfried aufragte. Entlang der Wehrmauer schloss sich hier ein kleiner Lindenhain an; ein liebliches Wäldchen, in dem es honigsüß aus den kleinen weißen Blüten duftete und das von Bienen summte.
    Ich lenkte mein Pferd ein wenig näher an den Wassergraben. Mochten die Mannen auf dem Wehrgang uns ruhig sehen, wir waren geladene Gäste, die in Kürze am Tor Einlass erhalten würden. Immerhin gab es Wachen, die einen Blick über das Land hielten. Ich sah ihre Helme im Sonnenlicht blinken.
    »Hübsch hier, wenn man ein Plätzchen zum Tändeln sucht«, meinte Ismael kenntnisreich und ließ seinen Blick über das weiche Grün am Boden schweifen.
    »Mach dir nicht zu viele Hoffnungen. Die Burgfräulein haben den Ruf, sehr sittsam zu sein.«
    Der Blick, den ich mit dieser Bemerkung erntete, sprach Bände. Der Junge war eindeutig bis ins Mark verdorben. Und um sein Seelenheil besorgt hielt ich mein Ross an und stieg ab. Am Rande des Wassergrabens hatte ich ein Heiligenhäuschen erspäht.
    »Ihr wollt beten, Meister?«
    »Für deine Errettung, Junge.«
    »Da ist nichts mehr zu retten, Meister, bemüht Euch nicht. Aber vielleicht hilft’s Euch ja noch.«

    »Weiß man’s? Schaden kann es nie. Sieh, es ist die Madonna im Ährenkleid, die hier ihre schützende Hand über das liebliche Fleckchen hält. Und wie es den hohen Frauen gebührt, wollen wir ihr ein Blütenopfer bringen. Runter vom Pferd, Junge. Frommer Minnedienst ist gefordert.«
    Man musste dem Schlingel zugute halten, dass er manche Dinge nicht nur willig, sondern auch gerne und äußerst geschickt erledigte. Maiblumen und Veilchen schmückten bald den Kranz, den ich aus wildem Efeu geflochten hatte. Noch weitaus geschickter aber erwies Ismael sich darin, das starke Gitter vor dem Standbild in dem kleinen Häuschen zu öffnen. Der Riegel und die Scharniere waren verrostet, doch Ismael war für solche Probleme wie immer gerüstet. Mit einem Krüglein Öl und seinem langen Messer hatte er die alte Gittertür bald bezwungen.
    »Scheint kaum noch jemand zu interessieren, die Ährenmadonna.«
    »Sieht so aus. Schade, denn es ist eine hübsche Statue.«
    Ich räumte ein altes Vogelnest zu Mariens Füßen weg, kehrte die trockenen Lindenblätter von ihrem Sockel und Spinnweben von ihrem Haupt. Von ihrer Krone war die Vergoldung fast ganz abgeblättert, das Blau ihres faltenreichen Gewandes verblichen, die Ähren darauf kaum noch zu erkennen. Doch der eiserne Sockel, auf dem sie stand, war unversehrt, und ihr Antlitz strahlte ruhige Güte aus. Demütig hielt sie den Blick gesenkt, ein liebliches Bild vollendeter Weiblichkeit, wie Männer es sich immer ersehnen. Manche. Nicht alle.
    »Die Jungfrau mag für Eure Seele bitten, aber ehrlich, Meister, ein keckes Mädchen bereitet mehr Spaß«, lautete Ismaels blasphemischer Kommentar.
    Ich antwortete nicht darauf - man soll jungen Leuten schließlich ein Vorbild sein - und legte den Kranz vor Maria nieder. Dann kniete ich mich auf das rechte Bein und legte die Hände zum stummen Gebet zusammen.
    Ismael hielt sich hinter mir. Ich spürte seine wachsame
Gegenwart und war es zufrieden. Schließlich erhob ich mich und schloss das Gitter wieder. Dazu, dass ich den Riegel nicht zuschob, sagte Ismael nichts. Der Junge hatte tatsächlich ein Talent, keine überflüssigen Fragen zu stellen.
    Wir saßen auf und wandten uns durch den duftenden Hain in Richtung des westlichen Wachturms und der Vorburg, an deren Pforte wir klopfen würden.

Die Dame auf dem weißen Zelter
    Engelin van Dyke ritt einen weißen Zelter, ein Geschenk ihres Vaters, das sie mit einem kleinen, gut verborgenen spöttischen Lächeln angenommen hatte. Adlige Frauen, Burgherrinnen, Hofdamen, Prinzessinnen mochten auf solch edlen Tieren reisen, nicht die Tochter eines Spezereienhändlers, oder, wie man die Handelsherren wie ihren Vater auch manchmal abschätzig nannte, eines Pfeffersacks.
    Mit Pfeffer und anderen kostbaren Gewürzen konnte man ein Vermögen machen, und das hatte ihr Vater auch getan. Er ritt vor ihr, Puckl, sein Secretarius und Neffe, an ihrer Seite. Sie betrachtete Hinrich van Dykes breiten Rücken. Ein verlässlicher, treuer Rücken eines
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher