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Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Richard Dübell
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das Holz des Tisches. Schließlich bückte sich der Burggraf und spähte unter den Tisch, und da alle Wachen es ihm gleichtaten, bückten wir Zeugen uns ebenfalls. Die Beine des Buchhalters waren ausgestreckt und lagen über Kreuz, die Stiefelspitzen zeigten senkrecht nach oben. Alles, was ihn in seinem Stuhl hielt, war die Schwere des Todes; und es war unmöglich, dass er ihm in diesem Stuhl begegnet war.
    Zwei von den Wachen machten das Kreuzzeichen und deuteten mit abergläubisch aufgerissenen Augen auf Stinglhammers Füße.
    »Der Teufel hat ihn geholt und seine Füße zum Hohn übereinander gelegt wie die unseres Heilands am Kreuz«, flüsterte einer. Der Burggraf fuhr herum.
    »Wo sind die Schreiber?«, bellte er.
    Wir drei anderen wurden beiseite gestoßen, als die beiden Unglücklichen zur Tür hereingeführt wurden. Sie schluckten krampfhaft.
    Der Stotterer versuchte, dem Anblick des Toten und dem kalten Blick des Burggrafen gleichzeitig auszuweichen, und heftete seine Augen schließlich Hilfe suchend an den Herrgottswinkel. Das Kruzifix war voller Ruß und stand verkehrt herum. Während die Wachen erneut zu flüstern und sich zubekreuzigen begannen, sank der Schreiber vor Entsetzen beinahe in die Knie.
    »Der Mann ist seit mehreren Stunden tot«, knurrte der Burggraf, der den Stab mit der perversen Faust am Ende fester umklammerte, als er dem Blick des Schreibers folgte. Er wandte die Augen mit Mühe von dem geschändeten Christus ab. »Wie lange wart ihr gestern Abend hier?«
    »Aber H-h-h-herr, was m-m-meinen Sie denn ...?«
    »Halt den Mund. Du bist verdächtig. Dein Freund dort auch.«
    »A-a-a-aber ...«
    Der Burggraf deutete auf das Fenster. »Hier kommt nur etwas sehr Kleines durch – höchstens eine Katze. Stinglhammers Genick ist aber gebrochen. Ich sag dir was: Das kann nur etwas sehr Großes getan haben.«
    »Der Flügelschlag des Azrael«, flüsterte einer der Waibel dumpf, achtete jedoch darauf, dass der Burggraf es nicht hörte.
    »Die T-t-t-tür ...«
    »Wer sagt, dass sie wirklich verschlossen war? Vielleicht habt ihr zwei kümmerlichen Figuren es so aussehen lassen, damit jemand anderer sie aufbricht und dann bezeugt, dass sie von innen abgesperrt war?«
    Der Bäcker warf mir einen Blick zu; ich schüttelte den Kopf. Ich habe nicht unmäßig viele Türen während meines Lebens eingetreten, aber doch genug, um zu erkennen, ob sie offen oder zugeschlossen waren.
    »Ich fordere die Bahrprobe«, sagte der Burggraf kühl.
    »Jetzt gleich?«, rief der Wachführer.
    »Wann sonst?«
    »Jawohl, questor.«
    Ich fing einen raschen Blick des Mannes auf, der den schwachsinnigen Knaben begleitete; er sah sofort wieder beiseite, aber auch er wirkte überrascht von der Entscheidung des Burggrafen.
    »Unsinn«, murmelte ich leise.
    »Was?«, murmelte der Bäcker darauf.
    »Die Bahrprobe. Ausgemachter Unsinn.«
    »Sagen Sie das nicht. Ich habe erst von einem Fall in Nürnberg gehört, wo ein Mann seine Frau erschlagen hatte. Als man ihn zu ihrem Leichnam führte, begann das Blut zu fließen wie ein Bach, und ...«
    »Wenn die Zeugen sich ihre Redelust aufheben könnten, bis sie an der Reihe sind, wäre ich ihnen sehr verbunden«, sagte der Burggraf mit einer kalten Wut, die echter wirkte als der Jähzorn, mit dem er den Wachen begegnete. Der Bäcker zog den Kopf ein und stopfte sich einen Brocken des dritten Brotrings zwischen die Zähne. Nach einem kurzen Moment bot er mir etwas an; ich lehnte ab. Er zuckte mit den Schultern, ohne beleidigt zu sein.
    Der Wachführer trat neben den stotternden Schreiber, dessen Gesicht mit einem Schweißfilm überzogen war. Er fasste ihn unter und schob ihn so nahe wie möglich an den Toten heran. Der Schreiber machte ein winselndes Geräusch und drehte das Gesicht zur Seite.
    »Fass ihn an«, befahl der Burggraf.
    Der Wachführer packte ein Handgelenk des Schreibers und stupste mit einer vergeblich widerstrebenden Hand voller Tintenflecke an die Schulter des Leichnams. Einige Herzschläge lang starrten alle auf die eingetrockneten Blutspuren in Stinglhammers Gesicht.
    »In Ordnung, weg mit ihm«, sagte der Burggraf enttäuscht.
    Der zweite Schreiber war kooperativer, wenn auch nicht weniger widerwillig. Er atmete auf, als Stinglhammers Leichnam genau wie vorher keine Reaktion zeigte.
    »Die beiden waren es also nicht«, fasste der Wachführer zusammen und erntete dafür einen giftigen Blick seines Herrn.
    Der Burggraf ließ die Schultern sinken und klopfte wieder gegen
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