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Das Spiel beginnt

Das Spiel beginnt

Titel: Das Spiel beginnt
Autoren: Lisi Harrison
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Béchamelsoße drang mir in die Nase, als ich von der Schule kam. Ich hatte noch nicht mal den Schlüssel aus dem Türschloss gezogen, als meine Mutter rief: »Lily, in die Küche. Sofort!«
    Ich fragte mich, ob sie das Schloss an meinem Tagebuch geknackt hatte. In diesem Fall wären Karb, Kalorie und Kardio meine geringste Sorge. Sie würde von meiner Duffy-Besessenheit wissen, dass meine Ersparnisse für eine Hommage an Bryanboy draufgegangen sind und dass ich meine Salamibrote immer wegwerfe, weil das Zeug salziger ist als das Tote Meer. Vor allem aber würde sie wissen, wie sehr ich mich danach sehne, normal zu sein. Eine Sehnsucht, die allem zuwiderläuft, was sie mir beigebracht hat.
    Zum Glück war es falscher Alarm. Ich kam zu spät zu meinem Unterricht in Internationaler Kochkunst.
    IK ist Moms Art, meine Freizeit mit Aktivitäten zu füllen, von denen ich an meiner Schule niemandem – tot oder lebendig – erzählen würde. Nie im Leben. Es geht darum, dass ich ein ausländisches Rezept übersetze, es koche, serviere und verdaue. Das erklärt wohl, wieso ich es nicht eilig hatte, nach Hause zu kommen.
    »Tut mir leid, Mom, ich hatte noch ein Styling-Club -Treffen«, sagte ich und spähte in den blubbernden Soßentopf. »Was kochst du?«
    »Was du eigentlich kochen solltest«, fuhr sie mich an. »Einen koscheren Croque Tartiflette.«
    »Ui, französisch.«
    Sie wischte sich die Hände an einem schwarzen Geschirrtuch ab und warf es auf die Arbeitsplatte. »Lily, muss ich mir Sorgen machen?«
    »Worüber?«
    »Sieh dich doch an.«
    Besorgnis wäre keine unangemessene Reaktion auf die Fahrradketten-Hosenträger, die meine gestreifte Golfhose oben hielten. Aber sie waren nur ein kleiner Preis für meine Beliebtheit.
    »Bubbie Libby von nebenan war hier«, fuhr sie fort. »Du solltest spazieren gehen mit…«
    »Schon gut, sie haben keine Namen.«
    »Du hast sie nicht einmal angerufen. Das ist nicht deine Art. Du bist nicht so unzuverlässig…« Sie verstummte. »Wenigstens warst du es bislang nicht.«
    »Was meinst du damit?«
    »Ich meine, dass ich seit der Eins in Algebra keine einzige Zensur mehr zu sehen bekommen habe.«
    »Eine Eins plus.«
    »Trotzdem.«
    »Mom, es ist alles in Ordnung, ehrlich. Ich war in der Schule. Das ist alles.«
    »Nicht mehr lange«, murmelte sie.
    »Häh?«
    »Wie bitte.«
    »Tut mir leid. Wie bitte?«
    »Ich wollte dich nur an unsere Abmachung erinnern. Glatte Einsen oder du bist wieder zu Hause.«
    Der Ofen piepte. Das Vorheizen war abgeschlossen. Sie legte den Croque hinein und ließ die Ofentür zuschlagen.
    »Hmmmm, was duftet hier so gut? Très magnifique«, sagte Dad, der von der Arbeit kam. Er warf die Zeitung aus dem Pendlerzug ins Altpapier, gab uns beiden ein Begrüßungsküsschen und fragte noch einmal, was so gut roch. Wir antworteten nicht. Mom drehte mir den Rücken zu und seufzte. Ich verdrehte die Augen.
    »Hier scheint ja alles unter Kontrolle zu sein.« Er schenkte sich ein Glas Rotwein ein und ergriff die Flucht. »Ruft mich, wenn es fertig ist.«
    Dad ist verantwortlicher Herausgeber der New York Times . Er ist der intelligenteste Mensch, den ich je getroffen habe. Er ist der Chef von einem Haufen kluger Journalisten, weil er noch klüger ist als sie. Aber wenn Frauen streiten, ist er vollkommen hilflos.
    Nachdem er gegangen war, sagte Mom: »Das ist mein Ernst, Lily. Ich nehme dich schon morgen von dieser Schule, wenn es sein muss.«
    Als ich drei war, habe ich mir eine Plastiktüte über den Kopf gezogen, weil meine Mom gesagt hatte, dass ich das nicht tun soll. Ich bekam keine Luft, also atmete ich heftiger. Das machte es nur schlimmer. Meine Lungen verwandelten sich in Ziegelsteine und mein Gesicht lief blau an. Noble zu verlassen und wieder ein Homie zu werden, wäre noch erstickender für mich.
    »Habe ich mich klar ausgedrückt?«
    »Hab's kapiert.«
    »Ja, ich verstehe.«
    WAAAH!
    »Ja, ich verstehe.«
    Ich verstand, dass ich Blake, Vanessa oder Duffy nicht verlassen konnte. Natürlich waren die Treffen mit den Mädchen aus dem Styling Club k eine geistige Herausforderung, aber es machte Spaß, die Magazine mit den Promis durchzublättern und darüber zu diskutieren, wem was am besten stand. Der Punkt ist doch, dass ich lerne, in der Gesellschaft zu funktionieren. Unter Gleichaltrigen zu leben. Verbindungen zu knüpfen. Mom hat mir so viel beigebracht, aber das nicht. Sie hat sich stets geweigert.
    Während der Croque im Ofen war, dachte ich über
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