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Das spanische Medaillon

Das spanische Medaillon

Titel: Das spanische Medaillon
Autoren: Tom Wolf
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neuesten englischen Raketen für uns ins Werk zu setzen.
    »In einem kleinen Hotel, Unter den Linden 25 – Gocks oder Göckes, warte, ich habe den Namen hier auf dem Billett ... Es ist angeblich neben dem Haus, in dem Wilhelm von Humboldt wohnt.«
    Umständlich kramte er die Nachricht der Ankunft heraus. Doch noch ehe er damit zu Ende gekommen war, sah ich bereits die allbekannten Wagen der Polizei die Straße verstopfen.
    »Er war gestern Abend auch bei ihm, bei unserem umtriebigen Geheimen Staatsrat, schreibt er zumindest hier ... und die Unterkunft nebendran heißt Gödeckes Hotel!«
    »Da ist etwas passiert!«, sagte ich und deutete auf unverkennbare polizeiliche Betriebsamkeit weit vor uns.
    Eine Menschentraube staute sich vor Gödeckes Hotel. Polizeiposten bildeten eine menschliche Absperrung. Unter den Linden 25 war von der Nummer 26 nur durch die abblätternde Farbe an der Fassade verschieden. Drei Stockwerke und ein Dachgeschoss: Die Wohnungen im ersten und zweiten Stock waren hoch, großräumig und repräsentativ. Wir kannten die Wohnung Humboldts, der uns zu Einzugs- und Amtsantrittsfeier eingeladen hatte – daher registrierten wir dies automatisch. Im Gödecke’schen Hotel hatte man sicher aus einer Wohnung pro Geschoss sechs bis acht einzelne Zimmer gewonnen. Es gelang uns, durch die Absperrung zu kommen, doch an ein Eintreten in Gödeckes Hotel war nicht zu denken. Ein Polizist am Eingang verwehrt es sanft, aber entschieden.
    »Wir sind mit einem Hotelgast verabredet!«, wandte ich ein.
    »Wo ist der Betreiber, der uns Auskunft geben kann?«
    Dieser störrische Esel zuckte mit den Achseln und setzte sein Ich-bin-nicht-vorhanden-und-sehe-dich-nicht-Gesicht auf. Schritte näherten sich von drinnen. Ein Mann kam aus dem Eingang: Unversehens standen wir wieder dem designierten Kriminaldirektor von Schlechtendal gegenüber. Erstaunen verzog ihm die Augenbrauen zu kasachischen Reiterbögen: »Marquise – meine Verehrung ... Marquis!«
    Zu mir im Speziellen gewandt, sagte er:
    »Sie scheinen mit dem siebten Sinn begabt zu sein, was Kriminalschauplätze angeht. Wie haben Sie von unserem neuen Kandidaten erfahren?«
    »Kandidaten?«, fragte ich erstaunt.
    Er schien mir nicht glauben zu wollen, dass ich nicht wusste, was sich zugetragen, und lächelte viel- bzw. nichtssagend.
    »Wir sind auf dem Weg zu einem guten Freund, der sich in einer kleinen Pension in diesem Hause, in Gödeckes Hotel, eingemietet hat. Er ist gestern hier eingetroffen. Sein eigentlicher Wohnsitz ist London ...«
    »... und sein Name ist Mister Robert de Gélieu, wenn ich nicht irre?«
    Schlechtendals Miene nahm eine amtliche Gewichtigkeit an. Er straffte sich und war sofort um einen Schuh größer.
    »Was ist passiert?«, fragte ich.
    »Man fand seine Zimmertür offen und im Zimmer ...«
    »Nein!«, stieß Jérôme aus. »Das ist doch ganz unmöglich – Sie müssen ihn verwechseln!«
    »Leider spricht sein Passeport eine eindeutige Sprache. Es steckte in seiner Jackentasche, ebenso ein Brief an unseren König ...«
    »Rötlich blondes Haar, blaugrüne Augen? Eine Warze auf der linken Wange? Mittelgroß, also kleiner als ich, schmächtig, aber nicht schwächlich? Sind Sie sicher, dass es dieser Mann ist?«
    Schlechtendal atmete tief ein und stöhnend wieder aus. Er nickte:
    »Die Statur stimmt, nur was den Kopf betrifft, müssen wir uns auf die Angaben des Ausweises verlassen ...«
    »Sie meinen«, hakte ich erschrocken ein, »dass er ... Wollen Sie damit etwa andeuten, dass der Kopf nicht mehr da ist, weil ihn der Mörder ebenfalls hat mitgehen lassen?«
    Ich blickte erschrocken auf dem Boden herum, überall Blutspuren bemerkend, die nicht vorhanden waren. Von Schlechtendal lächelte verzerrt, was stets geschieht, wenn der Verstand den wahren Grund für den Reflex nicht kennt und befiehlt, das Lächeln zu unterdrücken.
    »Tja, was soll ich dazu sagen? Wir stehen vor einem Rätsel, Madame. Der Polizeipräsident wird sich der Sache persönlich annehmen, denn es gibt eine Ordre des Königs, alle Verbrechen betreffend, in denen der Kopf ...«
    Er blickte irritiert auf, als sich Kutschräder knirschend vernehmen ließen. Von der Neuen Wache her näherte sich eine weitere Amtskutsche. Von Schlechtendal sprach rasch, fast abgehackt weiter:
    »Ja, wir fanden ihn kopflos in seinem Hotelzimmer. Hier stimmen Fund- und Tatort überein. So viel Blut habe ich noch nie an einer Wand gesehen. Mehr kann ich Ihnen leider nicht sagen. Diesmal wird es
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