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Das Sonnenblumenfeld

Das Sonnenblumenfeld

Titel: Das Sonnenblumenfeld
Autoren: Andrej Longo
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geht's dir gut?«
    »Sobald du in die Felder abbiegen kannst, runter von der Straße«, sagte der Professor mit einer Stimme, die entschieden wirken sollte, ihm aber im Hals stecken blieb.
    »Was schwallst du da, Prufessò?«
    »Die sind hinter uns her.«
    Dummenico schaute in den Spiegel.
    »Ich seh niemanden, Prufessò. Warum legst du dich nicht lang und schläfst 'ne Runde?«
    »Da oben, Mimmù.«
    »Wo oben?«
    »Die haben uns 'nen Hubschrauber auf den Hals gehetzt.«
    »'n Hubschrauber? Was redest du da?«
    »Mach schon, runter von der Straße, sonst kriegen die uns.«
    »Um Himmels willen, 'n Hubschrauber? Bist du sicher?«
    »Ganz ruhig.«
    »Die kriegen uns dran, Prufessò. Die kriegen uns dran.«
    »Mimmù, fahr weiter, und da vorne nach dem Schild ab in die Felder.«
    »Was sollen wir denn da?«
    »Uns verstecken.«
    »Was sag ich bloß Rosetta, wenn die uns schnappen? Was soll ich ihr denn sagen, Prufessò, verdammt?«
    »Weißt du was, Mimmù, hier geht doch gleich das Fest von Santu Vito los.«
    »Ja und, was nützt uns das verdammte Fest?«
    »Da kommen sie aus allen Dörfern. Zur Prozession und zur Pizzica. Sogar von weit weg, wegen der Musik und den Pizzicari. Wenn wir uns unter die Leute mischen, kriegen die uns nie im Leben.«
    »Prufessò …«
    »Setz den Blinker, Mimmù. Und halt die Fresse, wenn du deine Rosetta wiedersehen willst.«

Das Mofa mit den drei Jungs
    »Mè, kuck mal, sogar 'n Hubschrauber«, rief der, der hinten auf dem Mofa hockte und den sie Capa di Ciuccio nannten, Eselskopf. Sein Hintern hing halb auf dem Gepäckträger, er kippte den Primitivo.
    »Da oben würd' ich gern mal 'ne Runde drehen, du nicht, Cicciariè?«, rief der Eselskopf.
    »Ich hätt' mehr Lust auf was anderes«, antwortete Cicciariello, der in der Mitte hockte und den dritten Joint drehte.
    Das Mofa mit den drei Jungs tuckerte langsam durch den Olivenhain am Fuß des Muntagnone, über Staub und Ziegenkacke, unter der Sonne, die alles austrocknete.
    »Glaubste, die kommt?«, fragte Capa di Ciuccio und rieb sich den Schwanz, der bei dem Gedanken hart wurde.
    »Pass auf, wo du dich hier mit deinem Ständer reibst«, sagte Cicciariello und stieß ihm den Ellenbogen in den Magen.
    »Wofür hältst du mich, 'ne blöde Schwuchtel?«
    »Wer weiß, bei so 'nem Esel wie dir.«
    »Cicciariè, kommt die oder hat der Schuster Scheiße erzählt?«
    »Ich glaub, die kommt.«
    »Jetzt wird gefickt«, sagte Capa di Ciuccio.
    »Und wie jetzt gefickt wird«, sagte Cicciariello.
    »Mè, könnt ihr keine zwei Minuten über was anderes reden?«, fragte Fellone, der ganz vorn versuchte, sich zu orientieren.
    »Was denn, die legen wir doch flach, oder nicht?«, fragte Cicciariello.
    »Ich leg die flach«, betonte Fellone.
    »Und wir?«, fragte Capa di Ciuccio.
    Fellone spuckte in den Staub.
    »Zuerst ich«, sagte er.
    »Alles klar, Fellone«, beeilte sich Cicciariello zu sagen und gab ihm den Joint.
    Fellone nahm zwei tiefe Züge und sagte dann: »Wir sind da.«
    Er zeigte auf den Teich.
    Cicciariello und der Eselskopf reckten die Köpfe und sahen am Ende des Weges, zwischen den Olivenbäumen, die in Reih und Glied Spalier standen, das unendliche Gelb der Sonnenblumen. Sie flatterten im Wind wie ein riesiges Tuch.

Auf der Party von Caetano Corona
    Es war Anfang Juni gewesen. Auf der Party zum fünfzigsten von Caetano Corona, dem Bürgermeister, Cicciariellos Vater. Party nannte er es, weil das moderner klang. Mit Modernisierung hatte er nämlich die Wahl gewonnen. Aber das waren nur Flausen, mit denen er den Menschen den Kopf vernebelte, damit alles so blieb, wie es war.
    Genauso war es mit der Party.
    Unter den Lichtern, die an den Olivenbäumen der Masseria blinkten, war alles wie immer. Das kleine Orchester, das spielte, und die Lautsprecher, die die Musik bis zur Kirche von Santu Vito trugen. Das Feuer, das im Hof brannte und auf dem Salsiccia und Koteletts gegrillt wurden. Die Tafel, die sich bog unter Friselle, Oliven, Tomaten, Käse und so zarter Burrata, dass man sie schlürfen konnte. Und schließlich die Weinfässer, deren Hahn man nur aufdrehen musste, um das Glas zu füllen und dunkle Gedanken zu verscheuchen.
    Caterina und ihre Cousine lachten und aßen Friselle. Fellone, der sie eingeladen hatte, gockelte um sie herum.
    Oben auf der Bühne spielte Musik, wie man sie von Dorffesten kennt, nichts für junge Leute.
    Seit Beginn des Schuljahres schwirrte Fellone um Caterina herum wie eine Wespe um ein Zuckerbrot. Seit er
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