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Das Sigma-Protokoll

Das Sigma-Protokoll

Titel: Das Sigma-Protokoll
Autoren: Robert Ludlum
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hauptsächlich ums Schießen geht? Ich sag dir was: das Warten, darum geht’s. Wobei er ihn zornig angefunkelt hatte. McGee hatte natürlich Recht gehabt: Das Warten war das Entscheidende und gleichzeitig das, wofür er vom Temperament her am wenigsten geeignet war.
    Bei Hank McGee hatte er gelernt, auf die Beute zu warten.
    Jetzt war er selbst die Beute.
    Es sei denn, er könnte den Spieß irgendwie umdrehen.
    Ein paar Sekunden später hörte Ben lauter werdende Schritte. Jimmy Cavanaugh betrat zögernd den Saal und schaute hastig nach links und rechts. Sein zerrissener Hemdkragen war schmutzig und mit Blutflecken besudelt. Links am Hals klaffte eine Wunde.
Der Trenchcoat war dreckig. In dem roten Gesicht funkelten zu allem entschlossene Augen.
    War das wirklich mal sein Freund gewesen? Was war in den letzten fünfzehn Jahren passiert? Was hatte ihn in einen Killer verwandelt?
    Was war der Grund für das alles?
    In der rechten Hand hielt Cavanaugh die blauschwarz schimmernde Pistole. Auf dem Lauf steckte der fünfundzwanzig Zentimeter lange Schalldämpfer. Ben erinnerte sich an seine Schießübungen vor zwanzig Jahren. Was Cavanaugh da in der Hand hielt, war eine Walther PPK Kaliber 32.
    Ben hielt die Luft an. Er hatte Angst, sein Schnaufen könnte ihn verraten. Er zog sich in das Dunkel der Nische zurück und umklammerte fest die eiserne Laterne, während Cavanaugh den Saal inspizierte und langsam näher kam. Plötzlich riss Ben den Arm hoch und schleuderte Cavanaugh die eiserne Laterne mit voller Wucht an den Schädel.
    Jimmy Cavanaughs gellender, schmerzerfüllter Schrei glich dem Heulen eines Tieres. Während seine Knie nachgaben, drückte er ab.
    Ben spürte den Hitzestrahl, der an seinem Ohr vorbeischoss. Anstatt zurückzuweichen oder zu fliehen, stürzte Ben vorwärts, rammte seinen Körper in den seines Gegners und riss ihn zu Boden. Cavanaughs Schädel krachte auf den Steinboden.
    Obwohl er schon übel zugerichtet war, verfügte Cavanaugh immer noch über Bärenkräfte. Ein pestilenzartiger Schweißgestank umhüllte seinen Körper. Während Ben verzweifelt die Hand mit der Pistole abzuwehren versuchte, bäumte Cavanaugh sich auf, schlang den anderen Arm um Bens Hals und presste ihm wie in einem Schraubstock die Halsschlagader ab. Plötzlich hörte Ben ein ploppendes Geräusch - der Griff um seinen Hals löste sich, und Cavanaughs Körper sackte in sich zusammen. Zwischen den Augenbrauen klaffte ein dunkelrotes drittes Auge. Mit einer Mischung aus Abscheu und Erleichterung schaute er seinen ehemaligen Collegefreund an. Er wusste, dass von nun an nichts mehr so sein würde wie früher.

2. KAPITEL
    Halifax, Nova Scotia, Kanada

    Obwohl noch früh am Abend, war es schon dunkel. Ein eisiger Wind pfiff durch die steile, enge Gasse, die zum tosenden Atlantik hinunterführte. Nebel lag wie eine Decke über den grauen Straßen der kleinen Hafenstadt. Ein ekliger Nieselregen fiel, und die Luft schmeckte nach Salz.
    Die Lampe tauchte die vergammelte Vorderveranda und die ausgetretenen Stufen des Hauses in ein milchig gelbes Licht. Die dunkle Gestalt, die unter der Lampe stand, trug eine Öljacke mit Kapuze. Immer wieder drückte sie auf den Klingelknopf neben der Haustür. Schließlich hörte man das Klicken der Sicherheitsriegel. Langsam öffnete sich die verwitterte Tür.
    Die ärgerlichen Augen eines sehr alten Mannes lugten nach draußen. Über seinem zerknitterten weißen Pyjama trug er einen schmutzigen blassblauen Morgenmantel. Der Mund war eingefallen, die schlaffe Gesichtshaut bleich, und die grauen Augen blinzelten wässerig.
    »Ja?«, sagte der Alte mit hoher, krächzender Stimme. »Was wollen Sie?« Er sprach mit dem bretonischem Akzent seiner akadisch-französischen Vorfahren, die an der Küste Nova Scotias als Fischer gelebt hatten.
    »Sie müssen mir helfen«, sagte der Mann mit flehender Stimme. Aufgeregt trat er von einem Bein auf das andere. »Bitte, helfen Sie mir!«
    Der Alte schaute ihn verwirrt an. Der Besucher war zwar groß gewachsen, schien aber noch ein halber Teenager zu sein. »Wovon reden Sie?«, fragte er. »Wer sind Sie?«
    »Wir haben einen schrecklichen Unfall gehabt. Oh, mein Gott, ich glaube, mein Vater ist tot.«

    Der alte Mann presste die schmalen Lippen zusammen. »Und was soll ich jetzt tun?«
    Der Fremde streckte die Hand nach dem Griff der Sturmtür aus, ließ sie aber gleich wieder sinken. »Ich muss telefonieren. Wir brauchen einen Krankenwagen. Meine Schwester... sie ist
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