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Das Sigma-Protokoll

Das Sigma-Protokoll

Titel: Das Sigma-Protokoll
Autoren: Robert Ludlum
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verbandeln. Höflich nein zu sagen war ziemlich schwierig. Aber gelegentlich war tatsächlich eine Frau dabei, in deren Gesellschaft er sich außerordentlich wohl fühlte. Man konnte nie wissen. Wie auch immer, Max wollte Enkel.
    Max Hartman - Philanthrop, Kotzbrocken und Gründer von Hartman Capital Management. Der aus Nazideutschland geflohene Selfmademan mit den sprichwörtlichen zehn Dollar in der Tasche, der direkt nach dem Krieg eine Investmentgesellschaft gegründet und daraus mit eisernem Willen das heutige Multimilliardendollar-Unternehmen gemacht hatte. >Old Max< war inzwischen über achtzig und lebte in prunkvoller Einsamkeit in Bedford, New York. Noch immer führte er das Unternehmen und sorgte dafür, dass das auch niemand vergaß.
    Es ist nie einfach, für seinen Vater zu arbeiten, aber richtig hart wird es erst, wenn man für Investmentbanking, Portefeuille-Strukturierung, Risikomanagement und ähnlich nervtötende Dinge nur herzlich wenig Interesse aufbringt.
    Oder wenn man sich absolut nicht für Geld interessierte. Ben war natürlich klar, dass das ein Luxus war, dem vornehmlich die frönten, die zu viel Geld hatten. Wie die Hartmans mit ihren Treuhandvermögen und Privatschulen und dem gewaltigen Landsitz in Westchester County. Ganz zu schweigen von dem achttausend Hektar umfassenden Besitz am Greenbriar River und was die Familie sonst noch so hatte.
    Bis Peters Flugzeug abstürzte, hatte Ben das tun können, was ihm wirklich Spaß machte: unterrichten. Und zwar Kinder, die ihre Mitmenschen schon abgeschrieben hatten. In einer knallharten Schule in Brooklyn - in einer Gegend, die man East New York nannte - hatte er Fünftklässler unterrichtet. Die meisten
machten wirklich Ärger. Er hatte es zu tun mit Jugendgangs und abgestumpften Zehnjährigen, die besser bewaffnet waren als kolumbianische Drogenbarone. Aber sie brauchten einen Lehrer, der sich um sie kümmerte. Ben kümmerte sich. Und gelegentlich konnte er tatsächlich in des einen oder anderen Leben etwas bewirken.
    Nach Peters Tod hatte man ihn fast gezwungen, in die Firma einzutreten. Seinen Freunden hatte er erzählt, dass er damit einem Wunsch seiner Mutter auf dem Sterbebett nachgekommen sei - was wohl auch stimmte. Krebs hin oder her, er hatte seiner Mutter ohnehin nie einen Wunsch abschlagen können. Nur zu gut erinnerte er sich noch an ihr abgespanntes Gesicht. Die Haut war von der letzten Chemotherapie aschfahl, die rötlichen Flecken unter den Augen sahen aus wie Blutergüsse. Da sie fast zwanzig Jahre jünger als sein Vater gewesen war, hatte sich der nie vorstellen können, dass sie als Erste sterben würde. »Arbeite, denn es kommt die Nacht«, hatte sie gesagt und ihn dabei tapfer angelächelt. Das war alles, den Rest brauchte sie gar nicht auszusprechen. Max Hartman hatte Dachau überlebt und dann erleben müssen, wie sein Sohn starb. Und nun starb auch seine Frau. Wie viel konnte ein noch so starker Mann ertragen?
    »Hat er dich auch verloren?«, hatte sie geflüstert. Zu jener Zeit hatte er ein paar Straßen von der Schule entfernt gewohnt, im fünften Stock eines baufälligen Mietshauses ohne Aufzug. In den Gängen stank es nach Katzenpisse, und der Linoleumboden warf Blasen. Aus Prinzip lehnte er es ab, von seinen Eltern Geld anzunehmen.
    »Verstehst du, worum ich dich bitte, Ben?«
    »Die Kinder in der Schule«, hatte Ben mit einer Stimme gesagt, in der die Niederlage schon durchklang. »Die brauchen mich.«
    » Er braucht dich«, hatte sie ganz leise geantwortet. Und damit war die Diskussion beendet.
    Jetzt gab er den großen Privatkunden beim Lunch das Gefühl, bedeutend und umsorgt zu sein. Sie fühlten sich geschmeichelt durch die Tatsache, dass ihnen der Sohn des Firmengründers um den Bart ging. Nebenher und heimlich etwas ehrenamtliche Tätigkeit in einem Zentrum für »gefährdete Jugendliche«, die sich im Vergleich zu seinen Fünftklässlern wie Chorknaben ausnahmen.
Und - wann immer es ging - Reisen, Ski fahren, Parasailing, Snowboarden, Bergsteigen. Und Frauen, wobei er peinlich darauf achtete, sich mit keiner näher einzulassen.
    >Old Max< musste sich noch etwas gedulden.
    Plötzlich hatte Ben das Gefühl, dass ihn die mit rosaroten Damaststoffen und schweren dunklen Wiener Möbeln ausstaffierte Lobby erdrückte. »Ich warte draußen auf den Wagen«, sagte er zu dem Pagen. Der Mann in der grünen Lodenuniform lächelte ihn affektiert an. »Natürlich, Sir, wie Sie wünschen.«
    Ben trat in die grelle
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