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Das Sigma-Protokoll

Das Sigma-Protokoll

Titel: Das Sigma-Protokoll
Autoren: Robert Ludlum
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war immer der Schlüssel. Denk nach, verdammt! Und dann machte es klick: Er war etwa eine Straße entfernt vom größten unterirdischen Einkaufszentrum Europas, einem protzigen Konsumtempel namens ShopVille, der teilweise unter dem Hauptbahnhof lag. Vor seinem geistigen Auge sah er die Reihe von Rolltreppen, die am Bahnhofplatz in den Untergrund führten; der unterirdische Weg war immer schneller als der durch die Menschenmassen auf den Straßen. Im Gewirr der Passagen konnte er untertauchen. Nur ein Verrückter würde versuchen, ihm da unten zu folgen. Ben lief mit hochgezogenen Knien, mit langen, geschmeidigen Schritten. Er fühlte sich wie früher, wenn er einen von seinen heiß geliebten scharfen Zwischenspurts einlegte und nur noch den Wind in seinem Gesicht wahrnahm. Hatte er Cavanaugh abgehängt? Er hörte zwar dessen Schritte nicht mehr, wollte sich aber nicht auf Mutmaßungen verlassen. Zielstrebig und verbissen lief er weiter.

    Die blonde Frau mit der Festina-Tasche klappte das winzige Handy zusammen und steckte es in eine Tasche ihres azurblauen Chanel-Kostüms. Verärgert presste sie die matt glänzenden Lippen
aufeinander. Zuerst hatte alles wie am Schnürchen geklappt. In Sekundenschnelle hatte sie entschieden, dass die Beschreibung auf den Mann vor dem St. Gotthard genau passte. Er war eindeutig um die Mitte dreißig, hatte ein knochiges Gesicht mit einem kräftigen Kinn, lockiges braunes Haar mit einigen grauen Strähnen und braune Augen. Ein ansprechender, sogar ausgesprochen attraktiver Bursche; allerdings nicht so unverwechselbar, dass sie ihn hätte aus der Entfernung zweifelsfrei identifizieren können. Aber das spielte keine Rolle. Der Schütze, den sie ausgewählt hatten, konnte die Identifizierung vornehmen; dafür hatten sie gesorgt.
    Inzwischen schien die Angelegenheit allerdings etwas außer Kontrolle geraten zu sein. Das Ziel war ein Amateur; er hatte kaum eine Chance, die Begegnung mit einem Profi zu überleben. Trotzdem: Bei Amateuren hatte sie immer ein ungutes Gefühl. Sie machten zwar Fehler, aber die waren - wie die Ausweichmanöver des Objekts gezeigt hatten - unberechenbar. Sein wirrer, noch andauernder Fluchtversuch würde das Unvermeidliche nur hinauszögern. Aber es beanspruchte Zeit - das Einzige, was sie nicht hatten. Sigma I würde nicht erfreut sein. Sie warf einen Blick auf ihre kleine juwelenbesetzte Armbanduhr, holte wieder das Handy heraus und tätigte einen weiteren Anruf.

    Ben Hartmans ausgelaugte Muskeln schrien nach Sauerstoff. Keuchend stand er vor den Rolltreppen und musste im Bruchteil einer Sekunde eine Entscheidung fällen. Über seinem Kopf hing ein blaues Schild mit der Aufschrift 1. UNTERGESCHOSS SHOPVILLE. Schaufensterbummler und Käufer mit Taschen verstopften die Rolltreppe nach unten - also auf die andere, die im Augenblick nur von wenigen benutzt wurde. Er rannte die Stufen gegen die Laufrichtung hinunter und stieß dabei ein Händchen haltendes Pärchen zur Seite, das ihm den Weg versperrte, registrierte die verwirrten Blicke, aus denen Verärgerung und Spott sprachen.
    Jetzt rannte er über den schwarzen Bodenbelag durch die Haupthalle des unterirdischen Einkaufszentrums. Hatte er eben noch einen Funken Hoffnung verspürt, so wurde ihm bald klar,
dass er einen Fehler gemacht hatte. Überall schrien und kreischten Menschen. Cavanaugh war ihm auf den Fersen geblieben und befand sich jetzt ebenfalls in dem abgeschlossenen Raum. In der Spiegelwand eines Juwelengeschäfts sah er gelbweiß aufblitzendes Mündungsfeuer. Im selben Augenblick riss die Kugel in einem Reisebuchladen die Wandverkleidung aus poliertem Mahagoni auf, sodass darunter die billige Spanplatte zum Vorschein kam. Es war ein Inferno. Ein alter Mann in einem ausgebeulten Anzug umklammerte seinen Hals und schwankte hin und her wie ein Bowlingkegel. Blut tropfte ihm aufs Hemd.
    Ben sprang hinter einen Informationsstand. An der rechteckigen, etwa eins fünfzig breiten Konstruktion aus Beton und Glas war eine Tafel befestigt, auf der in eleganten schwarzen Lettern auf weißem Untergrund in drei Sprachen alle Geschäfte verzeichnet waren. Ein dumpfer Knall und zersplitterndes Glas sagten ihm, dass sein Versteck einen Treffer abbekommen hatte. Fast im selben Augenblick hörte er ein scharfes Knacken, ein Stück Beton brach ab und krachte nur wenige Zentimeter neben ihm auf den Boden.
    Ein anderer Mann - groß, kräftig, Kamelhaarmantel, lässige graue Kappe - stolperte ein paar Schritte an Ben
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