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Das Sigma-Protokoll

Das Sigma-Protokoll

Titel: Das Sigma-Protokoll
Autoren: Robert Ludlum
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Mittagssonne und betrachtete blinzelnd die Fußgänger in der vornehmen Bahnhofstraße. Linden, teure Geschäfte, Cafés und reihenweise Finanzinstitute in herrschaftlichen Kalksteingebäuden säumten die Prachtavenue. Der Page hastete mit dem Gepäck hinter ihm her und wuselte so lange herum, bis Ben einen Fünfzig-Franken-Schein zückte und ihm mit einer Handbewegung bedeutete, dass er jetzt gehen könne.
    »Herzlichsten Dank, Sir«, sagte der Page und mimte den Überraschten.
    Einer der Portiers würde ihm schon Bescheid sagen, wenn der Wagen in der gepflasterten Einfahrt an der linken Seite des Hotels auftauchte. Ben hatte es nicht eilig. Nach Stunden in stickigen und überhitzten Räumen, in denen der Duft von Kaffee und - ganz leicht, aber unverkennbar - Zigarrenqualm in der Luft hing, genoss er die erfrischende Brise vom Zürichsee.
    Ben lehnte seine nagelneuen Volant-Ti-Super-Skier neben seine Taschen an eine der korinthischen Säulen und beobachtete die Passanten in der belebten Fußgängerzone. Ein zwielichtig aussehender junger Geschäftsmann, der in sein Handy brüllte. Eine fette Frau in einem roten Parka, die einen Kinderwagen vor sich herschob. Japanische Touristen, die aufgeregt aufeinander einschwatzten. Ein großer Mann mittleren Alters, der einen gedeckten Anzug trug und sich das ergrauende Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. Ein Bote in der unverwechselbaren orange-schwarzen Uniform der gehobenen Floristenkette Blümchengalerie - unter dem Arm einen Karton Lilien. Eine auffällige, teuer gekleidete junge Blondine mit einer Festina-Einkaufstasche, die vage in Bens Richtung schaute, dann mit kurz aufblitzendem Interesse noch mal genauer hinschaute,
bevor sie die Augen abwendete. Hätten wir nur Raum genug und Zeit, dachte Ben. Er ließ den Blick wieder schweifen. Der Verkehrslärm aus der etwa einhundert Meter entfernten Löwenstraße drang gedämpft an sein Ohr. Das aufgeregte Jaulen eines Hundes war zu hören. Ein Mann um die fünfzig ging vorbei, dessen purpurroter Blazer für Zürich ein bisschen zu schrill war. Und dann sah Ben einen Mann, der ungefähr in seinem Alter war und gerade mit zielstrebigen Schritten an der Konditorei Koss vorbeiging. Er kam ihm irgendwie bekannt vor.
    Sehr bekannt sogar.
    Ben konnte es erst nicht glauben. Er musste zweimal hinschauen. War das etwa...? Tatsächlich, das war Jimmy Cavanaugh, sein alter Collegekumpel. Ein spöttisches Lächeln erschien auf Bens Gesicht.
    Jimmy Cavanaugh, den er in seinem zweiten Jahr in Princeton kennen gelernt hatte. Jimmy, der eine sturmfreie Bude außerhalb des Campus bewohnte, der Filterlose rauchte, an denen jeder gewöhnliche Sterbliche erstickt wäre, und der buchstäblich jeden - inklusive den einschlägig bekannten Ben - unter den Tisch gesoffen hatte. Jimmy stammte aus dem Nordwesten des Staates New York, aus einem Ort namens Homer, der Stoff für jede Menge guter Geschichten lieferte. Eines Abends brachte Jimmy ihm nicht nur die Feinheiten des Kurz-Lang-Saufens - Tequila und Bier - bei, sondern erzählte ihm auch vom letzten Schrei aus Homer. Ben wäre vor Lachen fast erstickt, als er hörte, dass die Landjugend gerade auf »Kühe-Kippen« stand. Jimmy war schlaksig, schlau und liebte das Leben. Sein Repertoire an Scherzen war gewaltig, er war ein Schlitzohr und redete wie ein Wasserfall. Aber vor allem schien er einfach lebendiger zu sein als all die anderen Studenten, die Ben kannte: die Hosenscheißer, die über nichts anderes redeten als die Zulassungsprüfungen für die juristische oder wirtschaftswissenschaftliche Fakultät; die Romanistensnobs mit ihren Gewürznelkenzigaretten und schwarzen Schals; die trübsinnigen Schlaffis, die sich schon für Revoluzzer hielten, wenn sie sich die Haare grün färbten. Jimmy hatte mit all dem nichts zu tun. Ben beneidete ihn um seine lockere Art und freute sich darüber, ja fühlte sich geschmeichelt, dass Jimmy sein Freund war. Wie so viele andere
verloren auch sie sich nach dem College aus den Augen. Jimmy nahm in Washington D. C. irgendeinen Job an der Georgetown School of Foreign Service an, während Ben in New York blieb. Keiner von beiden war der nostalgische Typ, sodass schließlich Entfernung und Zeit das Übrige taten. Dennoch, dachte Ben, war Jimmy Cavanaugh wahrscheinlich einer der wenigen Menschen, mit dem er sich jetzt gern unterhalten würde.
    Er war inzwischen so nah, dass es keinen Zweifel mehr gab: Es war Jimmy Cavanaugh. Er trug einen teuren Anzug
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