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Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)
Autoren: Claudia Kern
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zu geben. Als ich das nächste Mal auf die Jagd ging, lief der Hund wieder weg. Ich packte ihn im Nacken, als ich ihn fand, und schlug ihn, bis er winselte. Und das machte ich bei jeder Jagd: Er lief weg, ich schlug ihn. Hat von Ostern bis Pfingsten gedauert, aber auf einmal lief er nicht mehr weg, von einem Tag auf den nächsten.« Josef versuchte mich anzusehen, aber ich wich seinem Blick aus. Er drehte die Angel zwischen den Fingern. »War danach der beste Hund, den ich je hatte. Hatte Freude an der Jagd, tat, was ich wollte, und es gefiel ihm. Vielleicht hat er nicht geglaubt, dass es ihm gefallen würde, aber es war so.«
    Ich hatte Josef noch nie so viel reden hören. Mir wurde klar, dass er sich um mich sorgte, auf seine eigene Art, und dass er auf eine Antwort wartete. Aber ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich bin kein Hund, lass mich in Ruhe! Oder: Ich werde dir eine gute Frau sein und viele Kinder gebären, vielleicht sogar lebende.
    Ich schrak beim letzten Gedanken zusammen. Es war entsetzlich, so etwas zu denken, es auszusprechen gänzlich unmöglich. Schlimm genug, dass Gott meine Gedanken vernommen hatte. Ich hatte mein Schicksal mit Demut anzunehmen und darauf zu vertrauen, dass er mir Kinder schenkte, wenn der rechte Zeitpunkt gekommen war. Wut und Verbitterung sind ein Boden, auf dem nur die Saat des Teufels aufgehen kann. Das hatte Vater Ignatius einst gesagt.
    »Verstehst du, was ich meine?«, sagte Josef schließlich.
    Seine Frage erleichterte mir die Antwort. »Ja.«
    Ich atmete auf, als die ersten Häuser Winetres hinter den Bäumen auftauchten. Rechts des Weges lag das große Gemeinschaftsfeld. Einige Knechte arbeiteten darauf. In der untergehenden Sonne warfen sie lange, seltsam verzerrte Schatten, die wie Geister über die Ackerfurchen glitten.
    Markus, ein wohlgenährter älterer Mann und reichster Viehbauer im Dorf, stand neben seinem Pflug und erteilte den Männern lautstark Befehle. Der Ochse war bereits abgeschirrt und wühlte mit der Schnauze nach Wurzeln im Boden.
    Markus winkte, als er uns sah. Das speckige Lederwams spannte sich über seinem Bauch. Trotz des Winters hatte er kein Gewicht verloren. Selbst der Ochse war gut genährt.
    Alle winkten zurück, grüßten und lächelten. Markus besaß drei Pflüge, mehrere Ochsen, zahlreiche Kühe, Schweine, Ziegen und Schafe. Er war so reich, dass er zum Kirchgang am Sonntag auffallende bunte Kaufmannskleidung trug und ohne Murren die Strafen bezahlte, die der Graf für dieses Standesvergehen von ihm verlangte. Niemand mochte Markus, doch alle taten so. Es war besser, nicht der Feind eines reichen Mannes zu sein.
    Hinter der Allmende, dem Feld, das vom Dorf gemeinschaftlich bewirtschaftet wurde, drängten sich die Hütten um die Kirche wie Kinder, die sich bei einem Gewitter aus Angst am Rockzipfel ihrer Mutter festhielten. Die Kirche war nicht groß, eigentlich sogar zu klein für Winetre, aber sie war das einzige aus Stein erbaute Gebäude des Dorfes. Das Baumaterial hatte der Großvater des Grafen gespendet, aus Dank, nachdem sein Sohn unversehrt aus dem Morgenland zurückgekehrt war. Wir alle waren sehr stolz auf unsere Kirche.
    Ich blieb an einer kleinen Abzweigung stehen. Im Wind hörte ich das sanfte Rauschen des Rheins.
    »Gehst du noch aufs Feld?«, fragte Josef.
    »Ja.«
    »Soll ich Hans schicken?«
    Das war sein ältester Sohn. Er hatte noch keinen Bart, war aber schon fast so groß und kräftig wie sein Vater. Das Gemüt hatte er von Heinrich geerbt; er scherzte gern und verstand sich mit allen gut.
    Ich warf einen Blick in den rötlichen Himmel. »Nein, es ist schon spät. Lass ihn ausruhen.«
    Josef nickte. »Dann schicke ich ihn morgen.«
    Er zögerte, als wolle er noch etwas sagen, wandte sich dann aber nach einem gemurmelten »Gute Nacht« ab.
    Ich verabschiedete mich von den anderen und verließ die Straße. Der schmale Pfad, der zu unserem Feld führte, wand sich am Waldrand entlang. Dort war es bereits so dunkel, dass die Bäume zu einer Wand verschmolzen. Tannennadeln bedeckten den Boden, aber es gab nur wenig Unterholz. Winetre hatte es im letzten Winter verheizt.
    Bäume zu fällen war verboten, denn der Wald diente dem Fürsten zur Jagd. Es gab so viel Wild, dass die Kinder im Frühjahr und Sommer die Felder bewachen mussten, damit die Rehe sie nicht kahl fraßen. Ein zweiter Wald gehörte dem Dorf, aber der lag auf der anderen Seite.
    Brombeerhecken grenzten die Felder voneinander ab. Die ältesten waren so
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