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Das Schwert des Normannen: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Das Schwert des Normannen: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Das Schwert des Normannen: Roman (Knaur TB) (German Edition)
Autoren: Ulf Schiewe
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Robert trug mir noch auf, mich auf keinen Fall wieder selbständig zu machen. Meine Aufgabe sei lediglich, Gaitelgrima die gute Nachricht zu überbringen und dann sofort dem Heer mit Neuigkeiten aus Melfi zu folgen. Ich würde sie in Benevento finden, wo er weitere Verwendung für mich haben würde.
    Doch bevor wir die Straße nach Süden einschlugen, wollte ich mich noch von Reynard verabschieden. Also machten wir uns daran, ihn zu suchen.
    Es gibt kaum etwas Trostloseres als ein Schlachtfeld, wie ich es an diesem Morgen zum ersten Mal zu sehen bekam. Scharen von Krähen und Raben hatten sich angesammelt und pickten den Leichen die Augen aus, der Geruch von Blut und Verwesung hatte streunende Hunde angelockt. Die menschlichen Aasgeier waren kaum besser, denn überall wanderten Beutejäger über die Stellen, wo heftig gekämpft worden war, zogen den Toten Rüstungen und Stiefel aus oder schnitten angeschwollene Finger ab, um an ihre Ringe zu kommen.
    Wir begaben uns zu der Stelle auf dem Hügel, wo unsere Jungs gekämpft hatten. Beim Anblick der Berge von Leichen wurde mir übel. Die meisten waren Alemannen, die kreuz und quer durcheinanderlagen, wo der tödliche Stahl sie gerade getroffen hatte. Und dazwischen unsere gefallenen Kameraden und ihre verendeten Gäule. Thore entdeckte ihn schließlich. Reynard lag halb unter dem Kadaver seines Pferdes. Vielleicht hatten sie ihm deshalb die Rüstung gelassen. Ich betrachtete lange sein Gesicht. Er musste im Gemenge den Helm verloren haben, denn eine klaffende Wunde auf der Stirn hatte ihm den Tod gebracht. Ich kniete neben ihm und schloss ihm die Augen und gedachte unserer Freundschaft, während Fulko ein Gebet sprach. Der Gedanke, dass er in Walhall einziehen würde, tröstete mich. Dabei fiel mir sein kleines Amulett ein. Ich tastete unter seinem Kettenhemd, und da war es, Thors Hammer, aus einem Walrosszahn geschnitzt. Zur Erinnerung an den Alten steckte ich es ein.
    Inzwischen begannen die ersten Kolonnen auf Onfrois Befehl, die Plünderer zu verscheuchen. Wertvolle Waffen und Rüstungen wurden beiseitegelegt, Massengräber ausgehoben und die Leichen zur Bestattung eingesammelt.
    Wir waren froh, dieser traurigen Pflicht zu entgehen, und machten uns auf den Weg. Die dunklen Wolken hatten sich verzogen, es versprach ein herrlicher Tag zu werden. Die Luft war angenehm frisch, das noch feuchte Gras duftete in der Morgensonne, und im Westen zeichneten sich mit scharfen Umrissen die blauen Berge gegen die Weite des Himmels ab. Die Welt war trotz allem schön, und wir hatten das Glück, weiterzuleben. Ein verzücktes Hochgefühl hatte mich erfasst, das mich trunken machte, wenn auch nicht ganz ohne Schuldgefühle in Gedanken an die toten Freunde.
    Dazu kam die Vorfreude auf Gerlaine. Ich konnte es kaum erwarten, sie wieder in die Arme zu schließen. Nur eine einzige Nacht hatten wir gehabt, bevor ich hatte aufbrechen müssen. In meiner Vorstellung malte ich mir eine goldene Zukunft aus, angefüllt von unzähligen süßen Liebesnächten. Und mit meinem Anteil an der Beute würden wir endlich einen Hausstand gründen können. Sie würde niemandem mehr zu dienen haben. Ganz im Gegenteil, als Roberts Ritter und Schildträger würde ich ihr gewiss ein angemessenes Leben bieten können, eine Magd, um ihr zur Seite zu stehen, und vielleicht einen Knecht dazu, der sich um meine Pferde kümmerte. Klar, dass ich neben Alba meinen Stall noch mit ein paar guten Gäulen füllen würde.
    »Ich hoffe, sie vergessen uns nicht, wenn sie die Beute teilen«, unterbrach Thore meine Träumereien.
    Ich schüttelte den Kopf. »Keine Sorge. Rainulf kümmert sich darum. Auf ihn ist Verlass.«
    »Da ich doch jetzt bald Vater werde …«
    »In dem Fall hab ich noch mehr gute Nachrichten für euch«, rief ich frohlockend. »Ihr erinnert euch doch an unseren Raubzug damals in Benevento und Apulien. Stellt euch vor, Drogo hat unseren Schatz gar nicht zurückgegeben, wie behauptet, sondern ihn für Robert aufbewahrt.«
    Die beiden sahen mich erstaunt an.
    »Auch die heiligen Gegenstände, die wir aus Sant’Angelo gestohlen haben?«, fragte Fulko mit gerunzelter Stirn.
    »Die Statue von San Michele, die hat er zurückgeschickt, alles andere wartet auf uns in Melfi.«
    »Ich werd verrückt«, rief Thore und stieß einen Jubelschrei aus, wobei sein Gaul sich erschreckte und er fast aus dem Sattel gefallen wäre. »Das wird ja immer besser. Erst der Sieg und dann das.«
    Aber Fulko war weniger begeistert.
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