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Das Schwein unter den Fischen

Das Schwein unter den Fischen

Titel: Das Schwein unter den Fischen
Autoren: Jasmin Ramadan
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leicht gereizt, vielleicht hat sie geweint, jemand istgestorben, und ich platze hier rein, nur weil ich so eine pubertäre Scheiße im Kopf habe. Wenn ich nicht so erschöpft und durstig wäre, würde ich auf der Stelle umkehren und das Grundstück dieser Person wieder verlassen. Sie ist überhaupt nicht, wie Enki sie beschrieben hat, sicher kann sie mich auch nicht leiden.
    Sie sagt:
    »Enki kommt morgen zurück, er war für ein paar Tage in Turin bei einem Musikfestival. Marcella ist auch noch unterwegs. Du kannst ruhig bleiben, du bist herzlich willkommen. Natürlich.«
    »Danke, ich kann das Zimmer auch bezahlen, morgen, wenn mein Vater kommt.«
    Lollo schüttelt den Kopf.
    »Ist schon gut, du kannst so lange bleiben, wie du willst. Natürlich.«
    Sie streichelt Rossi, die sie Anaconda nennt. Lollo hat große schöne Hände.
    »Anaconda ist aber ein komischer Name für einen Hund. Ich hatte sie Rossi genannt.«
    »Sie war der einzige Welpe, was sehr ungewöhnlich bei Hunden ist. Bei ihrer Geburt war sie groß und sehr lang, ein langes glänzendes Etwas, wie eine Schlange. Wo hast du sie gefunden?«
    »Unten, an der Straße, dort wo es nur einen schmalen Weg für Fußgänger gibt, wo die Serpentinen beginnen.«
    Sie nickt.
    »Du musst Durst haben, entschuldige bitte, heute ist ein merkwürdiger Tag, das Wetter spielte verrückt, und dadurch ist alles ein bisschen durcheinandergeraten. Komm erst mal rein, ich gebe dir etwas zu trinken.«
    In der Küche gießt sie mir süße rote Limonade aus einem Krug in ein großes Glas. Ich trinke sofort alles aus. Lollo stellt Anaconda eine Schale hin, gießt auch ihr Limonade hinein und sagt:
    »Ich habe dich in der Zeitung gesehen, Celestine. Was ist mit deiner Stiefmutter? Hat man sie gefunden?«
    »Ja, sie ist wieder da. Aber sie hat wohl eine Amnesie, hat was auf den Kopf gekriegt oder ein Trauma oder beides, ich denke, sie wird wiederokay, die haut nichts so leicht aus den Latschen, wissen Sie. Sie werden mich hier abholen. Vielleicht, wenn Sie nichts dagegen haben, bleiben wir hier noch ein bisschen.«
    »Ja. Warum nicht.«
    Das Haus scheint leer zu sein, Reiner würde der alte Steingrill gefallen. Daneben steht auch noch ein Drehspieß. Ich sehe ihn schon in der Abendsonne ein ganzes Schwein anschneiden.
    »Mein Vater sieht ein bisschen aus wie ein Prolet, na ja, ist er auch, aber er ist ganz harmlos, beinahe liebenswürdig, wenn es drauf ankommt.«
    Aus irgendeinem Winkel des Hauses kommt ein älterer Mann in einem Anzug, geht direkt auf mich zu, schließt mich in seine Arme und küsst mich auf beide Wangen und auf die Stirn. Ich umarme ihn verhalten zurück. Lollo murmelt etwas auf Italienisch, da lässt er mich los.
    Sie stellt mir Geppetto als ihren Mann vor und spricht weiter Italienisch mit ihm. Danach wirkt sie gelöster und sagt:
    »Hast du Hunger? Es tut mir leid, ich benehme mich wie eine Deutsche!«
    Sie fährt sich mit beiden Händen durch ihre vielen schwarzblauen Haare und bindet sie sich zu einem Dutt.
    »Ist die Haarfarbe echt?«
    »Nein, die sind gefärbt, das Zeug dafür bringt mir immer der Junkie aus London mit, der hier ab und zu wohnt. Eigentlich sind sie dunkelbraun, so wie deine. Also, willst du nun was essen oder nicht?«
    »Nein, danke, ich habe keinen Hunger, aber mehr Limonade wäre gut. Sind Sie Italienerin?«
    »Nun, also, ja, bin ich. Ich bin eine verheiratete italienische Frau«, sagt sie und schaut mich durchdringend an. Geppetto nickt mir aufmunternd zu und verschwindet wieder hinter einer der vielen alten quietschenden Türen.
    Hier drinnen ist es angenehm kühl, es ist geräumig, der Boden ist hell gefliest. Ein paar abstrakte Skulpturen stehen herum, aber es hängt kein einziges Bild an der Wand. Lollo führt mich, nachdem Anaconda und ich die ganze Limonade ausgetrunken haben, ins Dachgeschoss in ein großes Zimmer. Es ist düster und riecht ein wenig muffig.
    Sie sagt, ich solle mich ausruhen, hier hätte ich die nötige Ruhe, es seizurzeit nur ein Gast im Haus, der Junkie auf Methadon, der sich draußen in der Natur herumtreibe. Ein angenehmer Typ, wie sie sagt.
    Die Matratze ist so weich, dass ich darin versinke. Das Bett ist aus dunklem Holz, es sieht aus wie handgeschnitzt und so alt, als wäre der älteste Mensch Italiens darin geboren worden. Darin werde ich zur Ruhe kommen.
    Ich höre Lollo und Geppetto kurze Zeit später laut streiten. Lollo hat einen seltsamen Akzent, vor allem, wenn sie Deutsch spricht. Es ist kein rein
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