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Das Schwein unter den Fischen

Das Schwein unter den Fischen

Titel: Das Schwein unter den Fischen
Autoren: Jasmin Ramadan
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und ein Stück Brot. Es wird immer heißer. Das Wasser trinke ich bis auf eine Flasche aus. Als ich oben angelangt bin, direkt an der großen Straße, von der Heinrich gesprochen hat, muss ich aufs Klo. Nirgends ist ein angemessenes Gebüsch zu entdecken, nur vereinzelt karge Pflanzen, Zypressen, Mauern und borstige Hecken. Ein schmaler Pfad für Fußgänger verläuft an der Straße. Man kann dort gerade mal einen Fuß vor den anderen setzen, mehr Platz ist nicht. Und auf der gegenüberliegenden Seite der Straße gibt es nur eine Leitplanke und dann nichts als den Abgrund. Die Stadt, klein und tief unten, ist so weit weg, als sei ich Stunden davon entfernt.
    Der See liegt da, prächtig und blau. Yves Klein durchkrault ihn, steigt am anderen Ufer aus dem Wasser, dreht sich um und winkt mir zu. Die blaue Farbe perlt von ihm ab, läuft von seinen Haaren über sein Gesicht, er zieht sie durch die Nase in sich hinein.
    Ich blinzele in die Sonne, Yves Klein ist fort, der See ruhig, niemand wird heute baden gehen, obwohl alles so aussieht, als wäre nichts geschehen.
    Die Mittagssonne brennt auf meinen Schultern. Den Korb lasse ich auf der obersten Treppenstufe stehen und gehe noch einmal hinunter, bis ich ein Gebüsch finde, hinter das ich mich zum Pinkeln hocken kann.
    Wieder oben angekommen, erwische ich einen kleinen schwarzen Hund, der die Salami frisst. Er knurrt mich an, als ich nach dem Korb greifenwill. Ich setze mich auf eine Treppenstufe und warte, bis er mit der Salami fertig ist. Ein kleines angekautes Stück ist noch übrig. Seine Zunge hängt weit und schief aus dem Maul, er hechelt und versucht sich an den Nektarinen, wahrscheinlich hat er Durst. Ich nehme die Wasserflasche und lasse Wasser in meine Hand laufen. Der Hund fiept und trinkt gierig, wir wiederholen das Ganze so oft, bis die Flasche leer ist. Es ist inzwischen noch heißer geworden. Hoffentlich ist es nicht mehr weit, denke ich, und bin dankbar, dass ich immerhin noch ein paar Nektarinen habe. Ich überquere die Straße bis zu einem kleinen Bürgersteig. Gerade als ich ihn betreten will, kommt wie aus dem Nichts mit einem Knall ein riesiger langer Laster mit einer gigantischen Henne darauf um die Ecke geschossen. Ich drücke mich an die Felswand. Der Hund trottet über die Straße, nachdem der Laster nicht mehr zu hören ist.
    Der Asphalt verschwimmt manchmal vor meinen Augen, die Straße schlängelt sich an vielen alten Mauern und Hecken vorbei, dann wird sie an ein paar felsigen Hängen langsam wieder gerade. Der Hund folgt mir, er läuft mal neben, mal vor, mal hinter mir, als hätte er nie etwas anderes gemacht. Ich drehe mich immer wieder um, und je weiter ich mich von dem See entferne, desto größer erscheint er mir. An die Wand gelehnt, ruhe ich eine Weile aus. Der Hund legt sich vor mir hin, wir haben beide Durst. »Da unten in der Stadt gibt es viel zu essen und zu trinken«, sage ich zu dem Hund und erzähle ihm von der netten Familie.
    Ein Flugzeug fliegt dicht über uns hinweg. Der Hund steht auf und zieht den Schwanz ein. Wir schauen uns an und setzen unseren Marsch fort. Als er so vor mir herläuft, erkenne ich, dass er eine Hündin ist. Ich nenne sie Rossi. Sie scheint damit einverstanden, stellt sich auf die Hinterbeine und dreht sich, als ich den Namen rufe.
    Am Ende der Straße führt eine kleine Treppe nach oben zum Eremitenkloster, vor dem Enki mal geschlafen hat. Es ist nur noch eine Sehenswürdigkeit für Touristen, die nächste Führung beginnt am Nachmittag. Ich erkläre Rossi, dass gleich hinter dem Kloster ein bewaldeter Hang sein muss, sonst wären wir falsch. Hinter dem Klostergrundstück, ein bisschen weiter oben, beginnt tatsächlich ein kleiner Wald.
    Rossi wedelt mit dem Schwanz, als verstehe sie, worum es geht, und ich erkläre ihr, dass ich auf der Suche nach Enki bin, weil ich ihn anders mag als alle anderen Menschen. Ich sage ihr, dass sie der netteste Hund ist, den ich kenne, und der einzige, dem ich davon erzählt habe. Sie bellt, stellt sich wieder auf die Hinterbeine. Wir teilen uns eine Nektarine und steigen den Hang hinauf. Nach einer Weile wird es eben, wir passieren einen Graben und laufen über einen schmalen Weg bis in ein lichtes Wäldchen. Endlich wird es ein wenig schattig. Rossi legt sich sofort unter einen Baum. Ich gehe weiter, rufe nach ihr, warte, aber sie bleibt liegen, die Pfote auf einem vollgesabberten Tannenzapfen. Ich gehe zurück und setze sie in den Korb. Nach wenigen Metern erreichen
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