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Das Schweigen

Das Schweigen

Titel: Das Schweigen
Autoren: Jan Costin Wagner
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können ...«
    »Nein, nein, ich arbeite hier, gerade ... seit drei Wo-
    chen ... ich bin in der Probezeit.«
    »Hm, ja«, murmelte Ketola. »Wo ist denn Päivi? Die
    macht das doch sonst hier...«
    »Ja, deshalb ja ... Päivi ist im Urlaub, deshalb ist das
    hier meine erste Woche allein ...«
    »Verstehe«, sagte Ketola. »Gut, pass auf. Die Sache ist
    dreiunddreißig Jahre her, und die Technik hatte damals
    ein Modell erstellt... eine Art... Modelleisenbahn ohne
    Eisenbahn.« Ketola atmete auf, weil ihm diese Erklärung
    geglückt war, aber der junge Mann war zu nichts zu
    gebrauchen und blieb begriffsstutzig.
    »Verstehst du? Wir suchen ein Modell, ein viereckiges
    Modell aus Plastik... wo könnte so was sein?«
    Jetzt schien der Junge wenigstens nachzudenken.
    »Irgendeine Ahnung?« fragte Ketola.
    »Also, dreiunddreißig Jahre ... das ist...«
    »Lange her?« half Ketola.
    »Ja ... hier oben haben wir da eigentlich gar nichts
    und bestimmt kein Modell oder so was. Höchstens
    unten, da haben wir ...«
    »Ja?«
    »Da ist so ein Raum, wo alles Mögliche rumsteht, für
    Päivi ist das ja der Horror, das ist sozusagen unsere
    Rumpelkammer...«
    »Ach ja?«
    »Ja, weil alles durcheinander ist und keine Bedeutung
    mehr hat.«
    »Dann lass uns da mal runtergehen.«
    »Ja ... ich kann hier aber erst mal nicht weg.«
    »Wie heißt du?« fragte Ketola.
    »Äh, Antti. Antti Lappeenranta.«
    Ketola fühlte sich plötzlich bester Laune und fast zu
    Scherzen aufgelegt. Er zog seinen Dienstausweis, zum
    letzten Mal vielleicht, wie ihm durch den Kopf schoss,
    hielt ihn dem Jungen vor die Nase und erklärte: »Antti
    Lappeenranta, ich nehme dich fest wegen des Verdachts
    auf was auch immer. Auf jeden Fall bist du geliefert.
    Folge mir.« Dann ging er voraus und überzeugte sich
    mit einem Blick über die Schulter, dass Kimmo und der
    verdutzte Junge ihm folgten.
    Sie fuhren mit dem Aufzug in den Keller, der auf an-
    dere Weise auch nicht zu erreichen war, denn die
    Treppe endete an einer Tür, zu der niemand je einen
    Schlüssel gehabt zu haben schien.
    »Bitte«, sagte Ketola, als sie unten waren, und der
    junge Archivar führte sie zu einem tatsächlich selbst in
    diesem Kellergeschoss noch abgelegenen Raum, der
    recht groß, gemessen an der Menge seines Inhaltes aller-
    dings ausgesprochen klein bemessen war.
    Ketola staunte, und Kimmo sagte: »Hm.«
    »Tja«, bestätigte der junge Mann.
    Der Raum war in mehreren Schichten vollgestellt mit
    Kartons, die zum Teil geöffnet waren und den Blick
    freigaben auf mehr oder weniger verdreckte Aktenord-
    ner in verschiedenen verblassenden Farben. Eben solche
    Ordner standen und lagen auch in Regalen, an den
    Raumwänden befanden sich dicht aneinander gestellt
    alte Gerätschaften, Kopierer, Drucker, Overhead-Pro-
    jektoren. Den Staub, den das alles angesetzt hatte,
    konnte Ketola riechen, und da er noch immer zu Scher-
    zen aufgelegt war, schlug er vor: »Päivi könnte hier bei
    Gelegenheit mal aufräumen.«
    »Hm, ja ... es ist nur vorübergehend, wir... also, das
    Archiv ... weil ich ja da noch nicht da war, aber Päivi
    hatte mir erzählt, dass sie halt Platz schaffen mussten,
    und hier haben sie erst mal Sachen abgestellt, die nicht
    mehr so wichtig sind... da soll bald auch manches ganz
    entfernt werden ...«
    »Natürlich ... und wo ist denn nun mein Modell?«
    »Äh ... ja, wenn überhaupt irgendwo, dann hier.«
    Kimmo bahnte sich bereits einen Weg durch die Kar-
    tons, blieb in der Mitte des Raumes stehen und fragte:
    »Wie groß ist es denn. Ich meine, wie lang und wie
    breit?«
    Ketola überlegte. »Ich schätze, es hat etwa die Größe
    eines kleinen Tisches. Und es steht auf Rädern.«
    »Auf Rädern?« fragte der junge Archivar.
    »Ja, wir haben es immer vom Büro in den Bespre-
    chungsraum und wieder zurück geschoben. Es steht auf
    Rädern. Ein Tisch auf Rädern.«
    Kimmo ging zu den an den Wänden abgestellten Ge-
    rätschaften, von denen einige mit weißen Tüchern be-
    deckt waren. Ketola folgte ihm und stolperte über einen
    Karton, als Kimmo »Hier!« rief.
    »Was?«
    »Ich glaube, das ist es.« Kimmo trat zur Seite und gab
    den Blick auf das Modell frei, das Ketola gesucht hatte.
    Ketola stand noch halb gestützt auf den Karton, richtete
    sich auf und sah das Viereck aus Plastik. Ketola seufzte
    beim Anblick, der sich ihm bot, er hörte es nur, er
    wusste selbst nicht, woher dieser Laut aus seinem In-
    nern gekommen war, und er konnte ihn nicht deuten.
    »Ja, das
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