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Das Schweigen

Das Schweigen

Titel: Das Schweigen
Autoren: Jan Costin Wagner
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Marjatta Korvensuo. Das Wohnzim-
    mer, in dem sie gesessen hatten, auf weißen Sofas. Der
    helle Flur. Das karge, rechtwinklige Zimmer im Keller-
    geschoss. Ketola vor dem Bildschirm, zur Ruhe gekom-
    men. Nichts in diesem Haus war rot gewesen.
    »Es ist gut möglich, dass es diesen roten Kleinwagen
    nie gegeben hat. Weder im Zusammenhang mit Pia Leh-
    tinen noch im Zusammenhang mit wem auch immer.
    Einfach eine falsche Spur«, sagte Sundström.
    Grönholm nickte. »Die Frau ist übrigens zwölf Jahre
    jünger als Korvensuo. Als sie sich 1982 kennenlernten,
    war er neunundzwanzig und sie erst siebzehn«, sagte er.
    »Über seine Zeit in Turku hat er offensichtlich geschwie-
    gen wie ein Grab. Die Frau weiß so gut wie gar nichts
    darüber.«
    »Die Kollegen in Helsinki versuchen natürlich, Kor-
    vensuo mit ungeklärten Fällen in Verbindung zu brin-
    gen. Sie stehen noch am Anfang, aber bislang gibt es
    keine Erkenntnisse«, sagte Heinonen.
    »Gut«, sagte Sundström und nickte.
    Die anderen schwiegen.
    »Wie geht es ... der Ehefrau?« fragte Joentaa.
    Heinonen schüttelte den Kopf. »Weiß ich nicht«,
    sagte er.
    Auch Grönholm verneinte. »Wir haben nur mit den
    Kollegen gesprochen, nicht mit ihr selbst.«
    »Zu den Dateien auf Korvensuos Computer ... das
    Ding ist angefüllt mit kinderpornographischen Fotos
    und Clips. Es platzt sozusagen ... aus ... den Nähten«,
    sagte Heinonen.
    »Schön«, sagte Sundström. »Dann darf ich zusam-
    menfassen. Wir haben ein vermisstes Mädchen, das
    wohlbehalten zurückgekehrt ist. Wir haben einen drei-
    ßig Jahre zurück liegenden Fall ...«
    »Dreiunddreißig«, sagte Joentaa.
    »... einen dreiunddreißig Jahre zurück liegenden Fall
    eines getöteten Mädchens, der seit gestern aufgeklärt ist.
    Weil sich der mutmaßliche Täter mitsamt seinem schö-
    nen Auto im selben See ertränkt hat, in dem er damals
    sein Opfer versenkte. Richtig?«
    »Genau«, sagte Grönholm.
    »Wir haben einen Immobilienmakler aus Helsinki,
    Timo Korvensuo, als letztlich greifbare Substanz dieser
    ... skurrilen Ermittlung. Korvensuo, der zwei Tage nach
    Sinikka Vehkasalos Verschwinden losfährt, einen ge-
    schäftlichen Termin vortäuschend, um Pia Lehtinens
    Mutter aufzusuchen, seine Visitenkarte abzugeben und
    sich das Leben zu nehmen. Späte Reue. Was auch
    immer. Richtig?«
    Keiner antwortete. Keiner widersprach.
    »Gut«, sagte Sundström. »Wunderbar. Mir zumindest
    dröhnt der Kopf.« Er wandte sich ab und hatte den
    Raum schon fast durchschritten, als er sich noch einmal
    umdrehte.
    »Und übrigens. Ihr dürft schon mal anfangen, Ideen
    zu sammeln«, sagte er. »Wie wir Nurmela zu Tränen
    rühren könnten, meine ich. Wegen des Geschenks, das
    in solchen Fällen fällig ist. Er hat mich vor einer halben Stunde angerufen. Das Handgelenk ist gebrochen. Auf
    komplizierte Weise, wie er betont. Überraschendes Er-
    gebnis der Röntgenuntersuchung.«

    6

    Viertel vor sechs.
    Den Rasen hinter Haus 86 mähen.
    Er notierte den Termin in seinem Notizbuch, bevor
    er nach draußen ging.
    Die Sonne schien warm. Die alte Kononen aus der 89
    ordnete die Wäsche auf ihrem Balkon und wandte ab-
    sichtlich den Blick ab, als sie ihn sah.
    Obwohl er die Scharniere der Schaukel längst geölt
    hatte. Kein Laut war mehr zu hören, wenn die Kinder
    schaukelten. Wie jetzt gerade der kleine Junge, der ihm
    zurief, dass er sich gleich überschlagen werde.
    »Gleich! Achtung!« rief der Junge und stieß sich
    immer weiter in die Höhe, und Pärssinen hatte den
    Eindruck, dass der Junge jeden Moment gewaltig auf
    den Hosenboden krachen würde, und ging einige
    Schritte auf ihn zu, um ihn aufzufangen.
    Aber der Junge trudelte aus und strahlte ihn an, und
    Pärssinen erwiderte das Lächeln und dachte, dass es ver-
    mutlich jede Menge Spaß machte zu schaukeln. Aber es
    war nichts mehr für ihn. Nicht in seinem Alter.
    Er ging zum Schuppen und schob den Rasenmäher
    heraus. Er setzte sich, startete den Motor und fuhr auf
    die andere Seite, zur Rückfront von Haus 86. Er begann,
    in Kreisen die Rasenfläche abzufahren, von der er wusste,
    dass sie eine halbe Stunde in Anspruch nehmen würde.
    Morgen waren Haus 87 und Haus 88 dran. Am Tag
    darauf die Häuser 89 und 90. Und kommende Woche
    dann wieder die große Fläche um den Spielplatz herum.
    Er mochte das laute Dröhnen des Motors, die mühelose
    Gewalt, mit der es alle anderen Geräusche beseitigte.
    Er grüßte Virpi Jokinen, die mit ihren beiden kleinen
    Kötern
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