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Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Titel: Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)
Autoren: Julie Klassen
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weiterhin auf Olivia gerichtet war, »vielleicht sollten wir Körperverletzung auch noch auf unsere Anklageliste setzen.«
    »Er gibt es also zu?«, fragte Mr Smith, der Wachtmeister.
    »Genau genommen, nein«, antwortete Olivia. »Obwohl ich ihm diese letzten Monate die Schuld an einer Gewalttat zugeschrieben habe. Genau wie Sie.«
    »Aha!« Sir Fulkes trübe Augen leuchteten auf. »Vielleicht suchen Sie auch ein wenig Rache. Er war ein grausamer Vater, nicht wahr?«
    Sie lächelte liebenswürdig. »Er war nichts im Vergleich zu Ihnen, davon bin ich überzeugt.«
    Er musterte sie, unsicher, was sie damit sagen wollte.
    »Ich vermute, Sie waren einfach nur in unser Haus gekommen, um meiner Mutter ein paar Näharbeiten für Ihre liebe Frau zu bringen«, fuhr Olivia fort. »Und vielleicht stürmte Simon Keene herein und schlug Sie von hinten auf den Schädel, getrieben von rasender Eifersucht. Und Sie wussten nicht, was passiert war. Sie erwachten später im Arbeitszimmer von Mrs Atkins, wohin sie Sie mitgenommen hatte, damit Sie sich erholen könnten.«
    »Hat sie nichts gesehen?«, fragte er, suchte eine Zigarre aus einer Holzkiste auf dem Tisch aus und rollte sie gelassen zwischen den Fingern hin und her.
    »Wenn Sie wissen wollen, ob Sie gesehen hat, wie mein Vater Sie niederschlug – leider nein.«
    »Miss Keene«, mischte Edward sich ein. »Ich verstehe nicht, was … das kann Ihrem Vater doch nicht helfen.«
    »Ich möchte nur, dass die Wahrheit ans Licht kommt«, erwiderte Olivia. »Macht uns die Wahrheit nicht frei?«
    »Ja, aber –«
    Sir Fulke unterbrach ihn. »Meine eigene Erinnerung an diese Vorgänge – wie es eben bei Kopfverletzungen so ist – ist sehr vage, Miss Keene«, sagte er herablassend. »Als ich erwachte, war alles sehr nebelhaft. Ich dachte, Mrs Atkins hätte mir gesagt, ich sei eine Treppe hinuntergefallen, aber ich kann mich geirrt haben. Später erfuhr ich, dass ich mehr als einen Tag bewusstlos gewesen war.«
    Dank einer großzügigen Menge Laudanum , dachte Olivia.
    »Es muss so gewesen sein, wie Sie es beschrieben haben«, sagte Sir Fulke und schien sich mit dem Gedanken anzufreunden. »Ihr Vater fand mich in seinem Haus, nahm das Schlimmste an und schlug mich feige von hinten nieder, wie es zu ihm passen würde.«
    Olivia verzog das Gesicht. »Vergessen Sie jedoch nicht, dass Sie Ihrem Angreifer einen guten Grund gaben.«
    Wieder verengten sich die trüben Augen. »Wie meinen Sie das?«
    »Wissen Sie, der Grund, warum jemand Sie von hinten niederschlug – diesen Teil leugne ich nicht – war, dass diese Person das Haus betrat und sah, wie Sie meine Mutter würgten.«
    »Das ist ja lächerlich!«
    »Ich gebe zu, dass es sich so anhört«, erwiderte Olivia in ruhigem Ton. »Und tatsächlich glaubte ich zu meiner Schande lange, dieser Unmensch, der darauf aus war, meine arme Mutter zu vernichten, sei mein Vater gewesen. Aber er war es nicht. Er war in Cheltenham, zusammen mit Ihrem eigenen Verwalter.«
    Der siebte Mann, den sie nicht kannte, nickte zustimmend. »Das ist wahr, Miss.«
    Sir Fulkes Mund verzog sich zu einem raubtierhaften Lächeln. »Miss Keene, es erstaunt mich, wie Sie diese Geschichte erzählen. Sie sollten Romane schreiben. Sie haben Ihre Berufung mit all diesem mathematischen Blödsinn verfehlt.«
    Olivia seufzte. »Wenn es doch nur eine Erfindung wäre! Aber für mich war es ein Albtraum, der mich Monate lang gejagt hat.«
    »Wenn es nicht Ihr Vater war, wer dann?«, fragte Sir Fulke. »Wollen Sie behaupten, ein Landstreicher oder ein Dieb sei vorbeigekommen und habe mich angegriffen?«
    Olivias Blick streifte Edward.
    »Mit beidem hat man mich in der Vergangenheit verwechselt. Aber, nein, das behaupte ich nicht.«
    »Wer war es dann?«, fragte Mr Smith, während sich der Friedensrichter in seinem Stuhl vorbeugte und sie eindringlich beobachtete.
    »Ich blieb an jenem Abend länger in Miss Cresswells Schule und kümmerte mich um zwei Schülerinnen, die noch etwas aufzuholen hatten. Als ich nach Hause kam, fand ich umgekippte Stühle und am Feuerrost zerschmettertes Glas. Ich hörte meine Mutter in Panik aufschreien und rannte in ihr Schlafzimmer. Es war ziemlich dunkel, aber hell genug, um einen Mann zu sehen, der seine Hände um den Hals meiner Mutter gelegt hatte und fest zudrückte. Ich weiß jetzt, wie sich das anfühlt. Ein scharfer Schmerz, die Lungen brennen, der sichere Tod steht einem vor Augen …«
    »Alles Blödsinn, die ganze Geschichte!«, rief Sir
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