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Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus

Titel: Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus
Autoren: Peter Stephen;Straub King
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liegen; eine gesichtslose Kneipe; ein Schuhgeschäft, das schon bessere Zeiten gesehen hat und hinter seiner schlierigen Schaufensterscheibe Arbeitsstiefel der Marke Red Wing ausstellt; und ein paar weitere düstere Gebäude, deren Zweck nicht erkennbar ist, die aber eigenartig traumhaft und melancholisch wirken. Diese Bauten haben etwas von fehlgeschlagener Wiederauferstehung an sich, als wären sie vor dem dunklen Gebiet im Westen errettet worden, obwohl sie eigentlich schon tot waren. In gewisser Weise ist ihnen auch genau das widerfahren. Ein ockergelber waagrechter Streifen – drei Meter über dem Gehsteig an der Fassade des Hotels Nelson und einen halben Meter über dem ansteigenden Gelände an den aschgrauen Fassaden der beiden letzten Gebäude gegenüber – bezeichnet die Hochwassermarke der Überschwemmung des Jahres 1965. Damals war der Mississippi über die Ufer getreten und hatte die Bahngleise und die Nailhouse Row überflutet, wobei er bis fast zum oberen Ende der Chase Street gestiegen war.
    An der Stelle, wo die Chase Street sich über die Hochwassermarke erhebt, um dann flach weiterzuführen, wird sie breiter und erlebt eine Umwandlung zur Hauptstraße von French Landing, so der Name der Kleinstadt unter uns. Das Agincourt Theater, das Lokal Taproom Bar & Grille, die First Farmer State Bank, das Samuel Stutz Photography Studio (das mit Porträts zur Schulentlassung, Hochzeitsfotos und Kinderporträts ein stetiges Geschäft macht) und Läden, die nicht wie die geisterhaften
Relikte in der Chase Street wirken, säumen hier die unebenen Gehsteige: Benton’s Rexall Drugstore, das Eisenwarengeschäft Reliable Hardware, Saturday Night Video, Regal Clothing, Schmitt’s Allsorts Emporium, aber auch Geschäfte, die Unterhaltungselektronik, Zeitschriften und Grußkarten, Spielwaren und Sportkleidung mit den Logos der Brewers, der Twins, der Packers, der Vikings und der University of Wisconsin verkaufen. Einige Häuserzeilen weiter wird die Straße zur Lyall Road. Hier rücken die Gebäude auseinander und schrumpfen zu eingeschossigen Holzbauten, vor denen Firmenschilder Reisebüros und Versicherungsagenturen anpreisen; danach geht die Straße in einen Highway über, der an einem 7-Eleven, der Reinhold T. Grauerhammer Hall der Veteranenvereinigung und einem hier als Goltz’s bekannten großen Landmaschinenhändler vorbei nach Osten in eine Landschaft aus ebenen, durch nichts unterbrochenen Feldern gleitet. Steigen wir in der kristallklaren Luft weitere dreißig Meter hoch und suchen ab, was unter und vor uns liegt, sehen wir Karsttrichter, Felsenschluchten, kegelförmige Hügel mit einem Pelz aus Kiefern, lößreiche Täler, die zu ebener Erde erst richtig sichtbar sind, wenn man unvermutet auf sie stößt, mäandernde Flüsse, meilenweite Flickenteppichfelder und kleine Ansiedlungen – darunter auch Centralia, das aus ein paar verstreuten Häusern an der Kreuzung zweier schmaler Highways mit den Nummern 35 und 93 besteht.
    Direkt unter uns macht French Landing den Eindruck, als wäre es mitten in der Nacht geräumt worden. Niemand ist auf den Gehsteigen unterwegs oder in gebückter Haltung dabei, den Schlüssel in eine der Ladentüren entlang der Chase Street zu stecken. Auf den schräg angeordneten Parkflächen steht noch keiner der Personenwagen und Pickups, die in ein, zwei Stunden allmählich auftauchen werden: erst allein oder paarweise, dann in einem wohl geordneten kleinen Strom. Hinter den Fenstern der Bürogebäude oder der unprätentiösen Häuser in den umliegenden Straßen brennt kein Licht. In der Sumner Street, eine Häuserzeile nördlich der Chase Street, stehen vier baugleiche zweistöckige Klinkergebäude, in denen von West nach Ost untergebracht sind: die Stadtbibliothek von
French Landing; die Praxis von Dr. med. Patrick J. Skarda, des hiesigen Arztes für Allgemeinmedizin; Bell & Holland, eine Anwaltssozietät, die heute von Garland Bell und Julius Holland, den Söhnen ihrer Gründer, geführt wird; das Bestattungsunternehmen Heartfield & Son, das jetzt einem weit verzweigten Bestattungskonzern mit Zentrale in St. Louis gehört; sowie das Postamt von French Landing.
    Das Gebäude am Ende der Straße, wo Sumner Street und Third Street sich kreuzen – ebenfalls ein zweigeschossiger Klinkerbau, der sich jedoch länger hinstreckt als seine unmittelbaren Nachbarn -, wird von diesen durch eine breit angelegte Einfahrt getrennt, die zu einem geräumigen Parkplatz hinter dem Haus führt.
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