Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schloß

Das Schloß

Titel: Das Schloß
Autoren: Franz Kafka
Vom Netzwerk:
andern, der ihm trotz seiner Überlegenheit der umgänglichere schien, sagte er: »Wer seid Ihr? Wem habe ich für den Aufenthalt zu danken?« »Ich bin der Gerbermeister Lasemann«, war die Antwort, »zu danken habt Ihr aber niemandem.« »Gut«, sagte K., »vielleicht werden wir noch zusammenkommen.« »Ich glaube nicht«, sagte der Mann. In diesem Augenblick rief der Vollbärtige mit erhobener Hand: »Guten Tag Artur, guten Tag Jeremias!« K. wandte sich um, es zeigten sich in diesem Dorf also doch noch Menschen auf der Gasse! Aus der Richtung vom Schlosse her kamen zwei junge Männer von mittlerer Größe, beide sehr schlank, in engen Kleidern, auch im Gesicht einander sehr ähnlich, die Gesichtsfarbe war ein dunkles Braun, von dem ein Spitzbart in seiner besondern Schwärze dennoch abstach. Sie gingen bei diesen Straßenverhältnissen erstaunlich schnell, warfen im Takt die schlanken Beine. »Was habt Ihr?« rief der Vollbärtige. Man konnte sich nur rufend mit ihnen verständigen, so schnell gingen sie und hielten nicht ein. »Geschäfte«, riefen sie lachend zurück. »Wo?« »Im Wirtshaus.« »Dorthin gehe auch ich«, schrie K. auf einmal mehr als alle andern, er hatte großes Verlangen von den zwei mitgenommen zu werden; ihre Bekanntschaft schien ihm zwar nicht sehr ergiebig aber gute aufmunternde Wegbegleiter waren sie offenbar. Sie aber hörten K.’s Worte, nickten jedoch nur und waren schon vorüber.
    K. stand noch immer im Schnee, hatte wenig Lust den Fuß aus dem Schnee zu heben, um ihn ein Stückchen weiter wieder in die Tiefe zu senken; der Gerbermeister und sein Genosse, zufrieden damit K. endgiltig hinausgeschafft zu haben, schoben sich langsam, immer nach K. zurückblickend, durch die nur wenig geöffnete Tür ins Haus und K. war mit dem ihn einhüllenden Schnee allein. »Gelegenheit zu einer kleinen Verzweiflung«, fiel ihm ein, »wenn ich nur zufällig, nicht absichtlich hier stünde.«
    Da öffnete sich in der Hütte linker Hand ein winziges Fenster, geschlossen hatte es tiefblau ausgesehn, vielleicht im Widerschein des Schnees, und war so winzig daß als es jetzt geöffnet war nicht das ganze Gesicht des Hinausschauenden zu sehen war, sondern nur die Augen, alte braune Augen. »Dort steht er«, hörte K. eine zittrige Frauenstimme sagen. »Es ist der Landvermesser«, sagte eine Männerstimme. Dann trat der Mann zum Fenster und fragte nicht unfreundlich, aber doch so als sei ihm daran gelegen, daß auf der Straße vor seinem Haus alles in Ordnung sei: »Auf wen wartet Ihr?« »Auf einen Schlitten, der mich mitnimmt«, sagte K. »Hier kommt kein Schlitten«, sagte der Mann, »hier ist kein Verkehr.« »Es ist doch die Straße, die zum Schloß führt«, wendete K. ein. »Trotzdem, trotzdem«, sagte der Mann mit einer gewissen Unerbittlichkeit, »hier ist kein Verkehr.« Dann schwiegen beide. Aber der Mann überlegte offenbar etwas, denn das Fenster, aus dem Rauch strömte, hielt er noch immer offen. »Ein schlechter Weg«, sagte K., um ihm nachzuhelfen. Er aber sagte nur: »Ja freilich.« Nach einem Weilchen sagte er aber doch: »Wenn Ihr wollt, fahre ich Euch mit meinem Schlitten.« »Tut das bitte«, sagte K. sehr erfreut, »wieviel verlangt Ihr dafür?« »Nichts«, sagte der Mann. K. wunderte sich sehr. »Ihr seid doch der Landvermesser«, sagte der Mann erklärend, »und gehört zum Schloß. Wohin wollt Ihr denn fahren?« »Ins Schloß«, sagte K. schnell. »Dann fahre ich nicht«, sagte der Mann sofort. »Ich gehöre doch zum Schloß«, sagte K., des Mannes eigene Worte wiederholend. »Mag sein«, sagte der Mann abweisend. »Dann fahrt mich also zum Wirtshaus«, sagte K. »Gut«, sagte der Mann, »ich komme gleich mit dem Schlitten.« Das Ganze machte nicht den Eindruck besonderer Freundlichkeit, sondern eher den einer Art sehr eigensüchtigen ängstlichen fast pedantischen Bestrebens, K. von dem Platz vor dem Hause wegzuschaffen.
    Das Hoftor öffnete sich und ein kleiner Schlitten für leichte Lasten, ganz flach ohne irgendwelchen Sitz, von einem schwachen Pferdchen gezogen kam hervor, dahinter der Mann, nicht alt aber schwach, gebückt, hinkend, mit magerem rotem verschnupftem Gesicht, das besonders klein erschien durch einen fest um den Hals gewickelten Wollshawl. Der Mann war sichtlich krank und nur um K. wegbefördern zu können, war er doch hervorgekommen. K. erwähnte etwas derartiges, aber der Mann winkte ab. Nur daß er der Fuhrmann Gerstäcker war, erfuhr K., und daß er diesen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher