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Das Schloß

Das Schloß

Titel: Das Schloß
Autoren: Franz Kafka
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der Nähe der Tür wurde Wäsche gewaschen. Der Rauch war aber aus der linken Ecke gekommen, wo in einem Holzschaff, so groß wie K. noch nie eines gesehen hatte, es hatte etwa den Umfang von zwei Betten, in dampfendem Wasser zwei Männer badeten. Aber noch überraschender, ohne daß man genau wußte worin das Überraschende bestand, war die rechte Ecke. Aus einer großen Luke, der einzigen in der Stubenrückwand, kam dort, wohl vom Hof her, bleiches Schneelicht und gab dem Kleid einer Frau, die tief in der Ecke in einem hohen Lehnstuhl müde fast lag, einen Schein wie von Seide. Sie trug einen Säugling an der Brust. Um sie herum spielten paar Kinder, Bauernkinder wie zu sehen war, sie aber schien nicht zu ihnen zu gehören, freilich, Krankheit und Müdigkeit macht auch Bauern fein.
    »Setzt Euch!« sagte der eine der Männer, ein Vollbärtiger, überdies mit einem Schnauzbart, unter dem er den Mund schnaufend immer offen hielt, zeigte, komisch anzusehn, mit der Hand über den Rand des Kübels auf eine Truhe hin und bespritzte dabei K. mit warmem Wasser das ganze Gesicht. Auf der Truhe saß schon vor sich hindämmernd der Alte der K. eingelassen hatte. K. war dankbar sich endlich setzen zu dürfen. Nun kümmerte sich niemand mehr um ihn. Die Frau beim Waschtrog, blond, in jugendlicher Fülle, sang leise bei der Arbeit, die Männer im Bad stampften und drehten sich, die Kinder wollten sich ihnen nähern, wurden aber durch mächtige Wasserspritzer die auch K. nicht verschonten immer wieder zurückgetrieben, die Frau im Lehnstuhl lag wie leblos, nicht einmal auf das Kind an ihrer Brust blickte sie hinab, sondern unbestimmt in die Höhe.
    K. hatte sie wohl lange angesehn, dieses sich nicht verändernde schöne traurige Bild, dann aber mußte er eingeschlafen sein, denn als er von einer lauten Stimme gerufen, aufschreckte, lag sein Kopf an der Schulter des Alten neben ihm. Die Männer hatten ihr Bad, in dem sich jetzt die Kinder von der blonden Frau beaufsichtigt herumtrieben, beendet und standen angezogen vor K. Es zeigte sich daß der schreierische Vollbärtige der Geringere von den zweien war. Der andere nämlich, nicht größer als der Vollbärtige und mit viel geringerem Bart, war ein stiller, langsam denkender Mann, von breiter Gestalt, auch das Gesicht breit, den Kopf hielt er gesenkt. »Herr Landvermesser«, sagte er, »hier könnt Ihr nicht bleiben. Verzeiht die Unhöflichkeit.« »Ich wollte auch nicht bleiben«, sagte K., »nur ein wenig mich ausruhn. Das ist geschehn und nun gehe ich.« »Ihr wundert Euch wahrscheinlich über die geringe Gastfreundlichkeit«, sagte der Mann, »aber Gastfreundlichkeit ist bei uns nicht Sitte, wir brauchen keine Gäste.« Ein wenig erfrischt vom Schlaf, ein wenig hellhöriger als früher freute sich K. über die offenen Worte. Er bewegte sich freier, stützte seinen Stock einmal hier einmal dort auf, näherte sich der Frau im Lehnstuhl, war übrigens auch der körperlich größte im Zimmer.
    »Gewiß«, sagte K., »wozu brauchtet Ihr Gäste. Aber hie und da braucht man doch einen, z.B. mich, den Landvermesser.« »Das weiß ich nicht«, sagte der Mann langsam, »hat man Euch gerufen, so braucht man Euch wahrscheinlich, das ist wohl eine Ausnahme, wir aber, wir kleinen Leute, halten uns an die Regel, das könnt Ihr uns nicht verdenken.« »Nein, nein«, sagte K., »ich habe Euch nur zu danken, Euch und allen hier.« Und unerwartet für jedermann kehrte sich K. förmlich in einem Sprunge um und stand vor der Frau. Aus müden blauen Augen blickte sie K. an, ein seidenes durchsichtiges Kopftuch reichte ihr bis in die Mitte der Stirn hinab, der Säugling schlief an ihrer Brust. »Wer bist Du?« fragte K. Wegwerfend, es war undeutlich ob die Verächtlichkeit K. oder ihrer eigenen Antwort galt, sagte sie: »Ein Mädchen aus dem Schloß.«
    Das alles hatte nur einen Augenblick gedauert, schon hatte K. rechts und links einen der Männer und wurde, als gäbe es kein anderes Verständigungsmittel schweigend aber mit aller Kraft zur Tür gezogen. Der Alte freute sich über irgendetwas dabei und klatschte in die Hände. Auch die Wäscherin lachte bei den plötzlich wie toll lärmenden Kindern.
    K. aber stand bald auf der Gasse, die Männer beaufsichtigten ihn von der Schwelle aus, es fiel wieder Schnee, trotzdem schien es ein wenig heller zu sein. Der Vollbärtige rief ungeduldig: »Wohin wollt Ihr gehn? Hier führt es zum Schloß, hier zum Dorf.« Ihm antwortete K. nicht, aber zu dem
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