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Das Schloss Im Moor

Titel: Das Schloss Im Moor
Autoren: Arthur Achleitner
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scharf musterte der Besucher die großen Gemälde, Kunstwerke
älterer Zeit, die wahrscheinlich von den jetzigen Besitzern übernommen worden sein dürften. »Ein
fürstlicher Besitz!« murmelte der junge Baron.
    Es währte geraume Zeit, bis Fräulein Olga erschien und mit fast zuviel Lebhaftigkeit den Besucher willkommen
hieß.
    »Baron Hodenberg aus Hannover!« stellte sich der junge Baron vor, unter tadelloser Verbeugung, und fügte
bei: »Irre ich nicht, habe ich die Ehre, mit dem verehrten Fräulein des Hauses zu sprechen.«
    »Verzeihen Sie, Herr Baron, jawohl, ich bin Olga Tristner, die Tochter, und beauftragt, Sie zu empfangen. Mama ist
schwer augenleidend und läßt um Entschuldigung bitten. Womit kann ich dienen? Bitte, nehmen Sie Platz!«
    »Sehr gütig, gnädiges Fräulein! Verzeihen Sie nur mein frühes Erscheinen, wollte den
Herrschaften erst später meine gehorsamste Aufwartung machen. Bin gekommen, um die vielgerühmte Brauerei zu
besichtigen, falls dies gestattet sein sollte.«
    »Aber natürlich, gern! Nur verstehe ich nicht, was an einer Landbrauerei Sehenswertes gefunden werden kann. Ein
solches Etablissement gleicht dem andern, bei uns ist nichts los, die Langeweile gähnt zu jedem Fenster
heraus!«
    »Oh, gnädiges Fräulein fühlen sich in der Stille des Landlebens gelangweilt! An sich ja begreiflich,
junge Damen wünschen Gesellschaft, Amüsement! Ich für meine Person würde mich just in diesem feudalen
Ansitz sehr wohl fühlen; wirklich feudaler Sitz, städtischer Komfort verbunden mit den Annehmlichkeiten des
Landlebens, unbelästigt von Schnüfflern . . .«
    »Das wohl, Herr Baron! Zu uns kommt fast niemand.«
    »Geradezu ideal! Wenn möglich, möchte ich mich in der Nähe ankaufen.«
    »Wie? In unsrer entsetzlichen Moorgegend? Unbegreiflich! Ich trachte mit Händen und Füßen
fortzukommen; habe es nie begriffen, wie sich Durchlaucht der Fürst just hier im Moor hatte festsetzen und bauen
können.«
    »Vielleicht ebenso Sonderling wie ich. Wenn gnädiges Fräulein die gehorsamste Bitte gestatten, würde
ich das Ersuchen zu Füßen legen, mir einen Führer durch die Brauerei zu bewilligen.«
    »Sehr gern. Ich werde Haferditzel beauftragen! Wenn es Ihnen genehm, begleite ich Sie.«
    »Zu gütig, gnädiges Fräulein! Wird der Gang aber nicht eine Unordnung verursachen?«
    »O nein! In keiner Weise!« Sie bat den Besucher, den Mantel im Salon zu lassen. Von Olga begleitet, begab sich
der Besucher vor das Schloß, und im Hof rief die Tochter des Hauses mit scharfer metallisch klingender Stimme:
»Haferditzel!«
    Überrascht fragte der Baron, was der sonderbare Ruf zu bedeuten habe.
    »Ein schöner Name, jawohl, unser Braumeister heißt Haferditzel! Netter Name, nicht?!«
    Von Dienern verständigt, kam der bärenstarke, von Gesundheit strotzende Braumeister angelaufen. Er stellte sich
dem Fräulein zur Verfügung, zugleich den fremden, eleganten Herrn begrüßend.
    Fast barsch sprach Olga: »Herr Baron Hodenberg wünscht die Brauerei zu sehen. Sie übernehmen die
Führung, ein Braubursch folgt uns und schließt hinterdrein ab. Avanti! Darf ich bitten, Herr Baron!«
    Hodenberg konnte den Blick nicht abwenden von der graziösen, bezaubernden Gestalt Olgas, ihre Körperreize
fesselten seine Sinne in besonderem Maße; doch wenn der Baron den verunstalteten Mund sah, die großen
vorstehenden Zähne, mußte er sich zwingen, um den Widerwillen nicht merken zu lassen. Auf die technischen
Erläuterungen des Braumeisters achtete Hodenberg in keiner Weise, ihn beschäftigten andre Gedanken. Im nahen
Städtchen Landsberg hatte er davon gehört, wie gut situiert Tristners seien, ferner, daß die Tochter eine
Schönheit wäre ohne die beklagenswerte Verunstaltung im Oberkiefer, eine geradezu glänzende Partie. Diese
Mitteilungen reizten den beschäftigungslosen Baron, der, stetig auf Reisen, jede Gelegenheit ergriff, die Zeit
totzuschlagen und dabei, wenn irgend möglich, Umschau nach einer passenden, reichen Braut zu halten. Der Wunsch nach
Besichtigung der ländlichen Brauerei war Vorwand, ein Mittel, um mit Tristners in Fühlung zu kommen. Das wird allem
Anschein wunschgemäß gelingen; es ist überhaupt vieles völlig nach Wunsch, die Abgeschiedenheit des
wirklich fürstlichen Ansitzes, frei von jeder Belästigung, die Leute wahrscheinlich ländlich einfach,
beschränkten Sinnes, vielleicht um den Finger zu wickeln und dankbar für die Ehre einer Beachtung seitens eines
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