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Das Schloss Im Moor

Titel: Das Schloss Im Moor
Autoren: Arthur Achleitner
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daß die Knechte lachend weiterfuhren. Als aber das mächtige zweistöckige Schloß in
Sicht kam, fühlte sich der Postillon doch dienstlich, nahm die Zügel auf und animierte seine Rosse mit der Peitsche
zu lebhafterem Tempo. Altgewohnt trotteten die Stolperer den bekannten Weg zum Posthause und blieben hier stehen. Am offenen
Fenster tauchte die Expeditorin auf und rief dem Postillon zu, daß er schon wieder zehn Minuten Verspätung
habe.
    Gemächlich kletterte Hans vom Bock, schloß das darunter befindliche Kästchen auf, entnahm daraus den
Postbeutel und überreichte ihn der Expeditorin mit den Worten: »Oh, mein, die Leut kriegen die paar Brief allweil
noch früh g'nug! Wer weiß, ob es ihnen nicht lieber wär, wenn die Post gar nicht käm!«
    »Damit ist die Verspätung nicht entschuldigt!« meinte die diensteifrige Expeditorin, nahm den Postbeutel
und verschwand vom Fenster.
    Hans fuhr um die Ecke in den Hof und schirrte ab.
    Von der Schloßbrauerei kam alsbald ein Lehrling und holte die Briefpost für das Büro, die wie üblich
Zuschriften von Gerste- und Hopfenlieferanten und ähnliches enthielt.
    Im Schlosse selbst diente eine Flucht von Zimmern des Erdgeschosses geschäftlichen Zwecken; hier sind die Büros
untergebracht, die Buchhaltung, Schreibzimmer und ein Privatbüro für den jungen Chef. Theo Tristner ist ein
bleicher junger Mann von etwa sechsundzwanzig Jahren mit einem blonden, kleinen Schnurrbärtchen auf der nervös
zuckenden Oberlippe, auf der Nase sitzt eine Brille. Theo Tristner sieht eher einem Aristokraten ähnlich denn einem
Brauer, der Wuchs ist schlank, die Kleidung modernen Schnittes; die Blässe der Wangen läßt nicht vermuten,
daß der junge Mann auf dem Lande lebt.
    Im Arbeitsgemach des jungen Herrn herrscht nahezu tropische Hitze, trotz des warmen Sonnenscheins draußen im
Gelände ist übermäßig geheizt, und dicker Zigarettenrauch lagert in Schwaden in halber Zimmerhöhe,
zum Husten reizend.
    Proben von bayrischer und ungarischer Gerste, Spalter und Saazer Hopfen lagern auf dem breiten Schreibtisch, dazwischen
Malzaufschlagsbolletten und amtliche Papiere, Briefe und Fakturen. Eine Zigarette qualmend, trommelte Theo nervös mit
den Fingern auf der Tischplatte; es dauert ihm zu lange, bis die Morgenpost kommt.
    Der Brauerlehrling Josef brachte die dem Postillon abgenommenen Postsachen ins Zimmer des jungen Chefs, und hastig
öffnete sie Theo. Geschäftsbriefe übergab Tristner sogleich dem Lehrling für den Buchhalter, ohne die
Briefe erst zu öffnen; dagegen behielt er Privatbriefe und Zuschriften, deren Absender nicht von außen kenntlich
sind, zurück. »Albernes Gekritzel junger Pensionsgänse!« brummte Theo und legte die Korrespondenz
für seine Schwester Olga zur Seite. Dann öffnete er einen Brief, dessen Schriftzüge eine ungelenke Hand
vermuten ließen. »Nanu!« rief Theo halblaut und begann die Epistel zu lesen. »Hol dich der Geier! Der
Kirchenwirt von St. Oswald will abspringen und Münchener Bier verzapfen! Natürlich, die dümmsten Bauern wollen
schon ›Münchener‹, weil's nobler ist und mehr kostet! Oder hat es der Kirchenwirt auf eine Schröpfung
abgesehen?« Theo unterbrach seinen Monolog und drückte auf den Klingelknopf.
    Dem eingetretenen Angestellten befahl der Chef, es sollte der Braumeister Haferditzel sofort ins Privatbüro
kommen.
    »Sehr wohl, Herr Tristner!« antwortete er und verschwand.
    Theo fand es plötzlich schwül im Zimmer, hastig riß er das Fenster auf und atmete gierig die wohlige,
frische Luft ein. Dann überlegte der Brauherr, ob die Mutter von diesem Absagebrief des Oswalder Kirchenwirtes
verständigt werden solle oder nicht. Frau Tristner hat es sich ausbedungen, vom Gang der Geschäfte bis zu jedem
einzelnen Vorfall verständigt zu werden, die erfahrene Frau will mit überlegen, mitberaten, was zu Nutz und Frommen
der Familie und des Geschäftes zu geschehen habe. Sagt nun Theo, daß ein »guter«, d. h. viel Bier
verzapfender Wirt abspringen will, so setzt es ein ärgerlich Gejammer bei der Mutter ab, die dann den baldigen Ruin der
Brauerei angebrochen sieht. Verschweigt Tristner junior jedoch den Brief, so wird der Absprung auf die Dauer kaum zu
vertuschen sein, denn Mama kennt alle Hauptabnehmer des Rieder Gerstensaftes persönlich. Sie unternahm, wenigstens in
früheren Jahren, zeitweilig Ausflüge, besuchte die Wirte und kontrollierte auf diese Weise den Gang der
Geschäfte. Fiele der Oswalder
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