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Das Schloß Duerande

Das Schloß Duerande

Titel: Das Schloß Duerande
Autoren: Josef Freiherr von Eichendorff
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ihm das
     Herz schwoll wie im nahenden Gewitterwinde. Er konnte es nicht länger aushalten in der drückenden Schwüle. In seinen Mantel
     gehüllt, ohne den Wagen abzuwarten, stürzte er sich in die scharfe Winternacht hinaus. Da freute er sich, wie draußen fern
     und nah die Turmuhren verworren zusammenklangen im Wind und die Wolken über die Stadt flogen und der Sturm sein Reiselied
     pfiff, lustig die Schneeflocken durcheinander wirbelnd. «Grüß mir mein Schloß Dürande!» rief er dem Sturme zu; es war ihm
     so frisch zumut, als müßt er wie ein lediges Roß mit jedem Tritte Funken aus den Steinen schlagen.
    In seinem Hotel aber fand er alles wie ausgestorben, der Kammerdiener war vor Langeweile fest eingeschlafen, die jüngere Dienerschaft
     ihren Liebschaften nachgegangen, niemand hatte ihn so früh erwartet. Schauernd vor Frost stieg er die breite, dämmernde Treppe
     hinauf, zwei tief herabgebrannte Kerzen beleuchteten zweifelhaft das vergoldete Schnitzwerk des alten Saales, es war so still,
     daß er den Zeiger der Schloßuhr langsam fortrücken und die Wetterfahnen im Winde sich drehen hörte. Wüst und überwacht warf
     er sich auf eine Ottomane hin. «Ich bin so müde», sagte er, «so müde von Lust und immer Lust, langweiliger Lust! ich wollt,
     es wäre Krieg!» – Da wars ihm, als hört er draußen auf der Treppe gehen mit leisen, langen Schritten, immer näher und näher.
     «Wer ist da?» rief er. – Keine Antwort. – «Nur zu, mir eben recht», meinte er, Hut und Handschuhe wegwerfend, «rumor nur zu,
     spukhafte Zeit, mit deinem fernen Wetterleuchten über Stadt und Land, als wenn die Gedanken aufständen überall und schlaftrunken
     nach den Schwertern tappten. Was gehst du in Waffen rasselnd um und pochst an die Türen unserer Schlösser bei stiller Nacht;
     mich gelüstet, mit dir zu fechten; herauf, du unsichtbares Kriegsgespenst!»
    Da pocht es wirklich an der Tür. Er lachte, daß der Geist die Herausforderung so schnell angenommen. In keckem Übermut rief
     er: «Herein!» Eine hohe Gestalt im Mantel trat in die Tür; er erschrak doch, als diese den Mantel abwarf und er Renald erkannte;
     denn er gedachte der Nacht im Walde, wo der Jäger auf ihn gezielt. – Renald aber, da er den Grafen erblickte, ehrerbietig
     zurücktretend, sagte, er habe den Kammerdiener hier zu finden geglaubt, um sich anmelden zu lassen. Er sei schon öfters zu
     allen Tageszeiten hier gewesen, jedesmal aber, unter dem Vorwand, daß die Herrschaft nicht zu Hause oder beschäftigt sei,
     von den Pariser Bedienten zurückgewiesen worden, die ihn noch nicht kannten; so habe er denn heute auf der Straße gewartet,
     bis der Graf zurückkäme.
    «Und was willst du denn von mir?» fragte der Graf, ihn mit unverwandten Blicken prüfend. «Gnädiger Herr», erwiderte der Jäger
     nach einer Pause, «Sie wissen wohl, ich hatte eine Schwester, sie war meine einzige Freude und mein Stolz – sie ist eine Landläuferin
     geworden, sie ist fort.»
    Der Graf machte eine heftige Bewegung, faßte sich aber gleich wieder und sagte halb abgewendet: «Nun, und was geht das mich
     an?»
    Renalds Stirn zuckte wie fernes Wetterleuchten; er schien mit sich selber zu ringen. «Gnädiger Herr», rief er darauf im tiefsten
     Schmerz, «gnädiger Herr, gebt mir meine arme Gabriele zurück!»
    «Ich?» fuhr der Graf auf, «zum Teufel, wo ist sie?»
    «Hier», entgegnete Renald ernst.
    Der Graf lachte laut auf und, den Leuchter ergreifend, stieß er rasch eine Flügeltür auf, daß man eine weite Reihe glänzender
     Zimmer übersah. «Nun», sagte er mit erzwungener Lustigkeit, «so hilf mir suchen. Horch, da raschelt was hinter der Tapete,
     jetzt hier, dort, nun sage mir, wo steckt sie?»
    Renald blickte finster vor sich nieder, sein Gesicht verdunkelte sich immer mehr. Da gewahrte er Gabrielens Schnupftuch auf
     einem Tischchen; der Graf, der seinen Augen gefolgt war, stand einen Augenblick betroffen. – Renald hielt sich noch, es fiel
     ihm der Zettel des Fremden wieder ein, er wünschte immer noch, alles in Güte abzumachen und reichte schweigend dem Grafen
     das Briefchen hin. Der Graf, ans Licht tretend, erbrach es schnell, da flog eine dunkle Röte über sein ganzes Gesicht. – «Und
     weiter nichts?» murmelte er leise zwischen den Zähnen, sich in die Lippen beißend. «Wollen sie mir drohen, mich schrecken?»
     – Und rasch zu Renald gewandt, rief er: «Und wenn ich deine ganze Sippschaft hätt, ich gäb sie nicht heraus!
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