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Das Schloß Duerande

Das Schloß Duerande

Titel: Das Schloß Duerande
Autoren: Josef Freiherr von Eichendorff
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spielten so schöne Kinder
Mit ihr in der Einsamkeit.
    Von ihren Locken verhangen,
Schlief sie und lachte im Traum,
Und die schönen Kinder sangen
Die ganze Nacht unterm Baum.
    Die ganze Nacht hat gelogen,
Sie hat mich so falsch gegrüßt,
Die Engel sind fortgeflogen,
Und Haus und Garten stehn wüst.
    Es zittert die alte Linde
Und klaget der Wind so schwer,
Das macht, das macht die Sünde,
Ich wollt, ich läg im Meer.
    Die Sonne ist untergegangen
Und der Mond im tiefen Meer,
Es dunkelt schon über dem Lande;
Gute Nacht! seh dich nimmermehr.
    «Wer ist da?» rief er auf einmal in den Garten hinein. Eine dunkle Gestalt unterschied sich halb kenntlich zwischen den wirren
     Schatten der Bäume; erst hielt er es für eins der Marmorbilder, aber es bewegte sich, er ging rasch darauf los, ein Mann versuchte
     sich mühsam zu erheben, sank aber immer wieder ins Gras zurück. «Um Gott, Nicolo, du bists!» rief Renald erstaunt; «was machst
     du hier?» – Der Schloßwart wandte sich mit großer Anstrengung auf die andere Seite, ohne zu antworten.
    «Bist du verwundet?» sagte Renald, besorgt nähertretend, «wahrhaftig, an dich dacht ich nicht in dieser Nacht. Du warst mir
     der liebste immer unter allen, treu, zuverlässig, ohne Falsch; ja, wär die Welt wie du! Komm nur mit mir, du sollst herrschaftlich
     leben jetzt im Schloß auf deine alten Tage, ich will dich über alle stellen.»
    Nicolo aber stieß ihn zurück: «Rühre mich nicht an, deine Hand raucht noch von Blut.»
    «Nun», entgegnete Renald finster, «ich meine, ihr solltet mirs alle danken, die wilden Tiere sind verstoßen in den wüsten
     Wald, es bekümmert sich niemand um sie, sie müssen sich ihr Futter selber nehmen – bah! und was ist Brot gegen Recht?»
    «Recht?» sagte Nicolo, ihn lange starr ansehend, «um Gottes willen, Renald, ich glaube gar, du wußtest nicht –»
    «Was wußt ich nicht?» fuhr Renald hastig auf.
    «Deine Schwester Gabriele –»
    «Wo ist sie?»
    Nicolo wies schweigend nach dem Kirchhof; Renald schauderte heimlich zusammen. «Deine Schwester Gabriele», fuhr der Schloßwart
     fort, «hielt schon als Kind immer große Stücke auf mich, du weißt es ja; heut abend nun in der Verwirrung, ehs noch losging,
     hat sie in ihrer Herzensangst mir alles anvertraut.»
    Renald zuckte an allen Gliedern, als hinge in der Luft das Richtschwert über ihm. «Nicolo», sagte er drohend, «belüg mich
     nicht, denn dir, gerade dir glaube ich.»
    Der Schloßwart, seine klaffende Brustwunde zeigend, erwiderte: «Ich rede die Wahrheit, so wahr mir Gott helfe, vor dem ich
     noch in dieser Stunde stehen werde! – Graf Hippolyt hat deine Schwester nicht entführt.»
    «Hoho!» lachte Renald, plötzlich wie aus unsäglicher Todesangst erlöst, «ich sah sie selber in Paris am Fenster in des Grafen
     Haus.»
    «Ganz recht», sagte Nicolo, «aus Lieb ist sie bei Nacht dem Grafen heimlich nachgezogen aus dem Kloster.»
    «Nun siehst du, siehst du wohl? ich wußts ja doch. Nur weiter, weiter», unterbrach ihn Renald; große Schweißtropfen hingen
     in seinem wildverworrenen Haar.
    «Das arme Kind», erzählte Nicolo wieder, «sie konnte nicht vom Grafen lassen; um ihm nur immer nahe zu sein, hat sie, verkleidet
     als Gärtnerbursche, sich verdungen im Palast, wo sie keiner kannte.»
    Renald, aufs äußerste gespannt, hatte sich unterdes neben dem Sterbenden, der immer leiser sprach, auf die Knie hingeworfen,
     beide Hände vor sich auf die Erde gestützt. «Und der Graf», sagte er, «der Graf, aber der Graf, was tat der? Er lockte, er
     kirrte sie, nicht wahr?»
    «Wie sollt ers ahnen!» fuhr der Schloßwart fort; «er lebte wie ein loses Blatt im Sturm von Fest zu Fest. Wie oft stand sie
     des Abends spät in dem verschneiten Garten vor des Grafen Fenstern, bis er nach Hause kam, wüst, überwacht – er wußte nichts
     davon bis heute Abend. Da schickt er mich hinaus, sie aufzusuchen; sie aber hatte sich dem Tode schon geweiht, in seinen Kleidern
     Euch täuschend, wollte sie Eure Kugel von seinem Herzen auf ihr eigenes wenden – o jammervoller Anblick – so fand ich beide
     tot im Felde, Arm in Arm – der Graf hat ehrlich sie geliebt bis in den Tod – sie beide sind schuldlos – rein – Gott sei uns
     allen gnädig!»
    Renald war über diese Worte ganz still geworden, er horchte noch immer hin, aber Nicolo schwieg auf ewig, nur die Gründe rauschten
     dunkel auf, als schauderte der Wald.
    Da stürzte auf einmal vom Schloß die Bande
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