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Das Schloß Duerande

Das Schloß Duerande

Titel: Das Schloß Duerande
Autoren: Josef Freiherr von Eichendorff
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so wurde er ungehindert abgeführt. Da hörte er hinter sich die Fontänen noch rauschen, dazwischen das Lachen und Plaudern
     der Hofleute in der lauen Luft; als er aber einmal zurückblickte, hatte sich alles schon wieder nach dem Garten hingekehrt,
     nur ein bleiches Gesicht aus der Menge war noch zurückgewandt und funkelte ihm mit scharfen Blicken nach. Er glaubte schaudernd
     den prophetischen Fremden aus des Vetters Schenke wiederzuerkennen.
     
    Der Mond bescheint das alte Schloß Dürande und die tiefe Waldesstille am Jägerhaus, nur die Bäche rauschen so geheimnisvoll
     in den Gründen. Schon blühts in manchem tiefen Tal, und nächtliche Züge heimkehrender Störche hoch in der Luft verkünden in
     einzelnen halbverlornen Lauten, daß der Frühling gekommen. Da fahren plötzlich Rehe, die auf der Wiese vor dem Jägerhaus gerastet,
     erschrocken ins Dickicht, der Hund an der Tür schlägt an, ein Mann steigt eilig von den Bergen, bleich, wüst, die Kleider
     abgerissen, mit wildverwachsenem Bart – es ist der Jäger Renald.
    Mehrere Monate hindurch war er in Paris im Irrenhause eingesperrt gewesen; je heftiger er beteuerte, verständig zu sein, für
     desto toller hielt ihn der Wärter; in der Stadt aber hatte man jetzt Wichtigeres zu tun, niemand bekümmerte sich um ihn. Da
     ersah er endlich selbst seinen Vorteil, die Hinterlist seiner verrückten Mitgesellen half ihm treulich aus Lust an der Heimlichkeit.
     So war es ihm gelungen, in einer dunklen Nacht mit Lebensgefahr sich an einem Seil herabzulassen und in der allgemeinen Verwirrung
     der Zeit unentdeckt aus der Stadt durch die Wälder, von Dorf zu Dorfe bettelnd, heimwärts zu gelangen. Jetzt bemerkte er erst,
     daß es von fern überm Walde blitzte; vom stillen Schloßgarten her schlug schon eine Nachtigall, es war ihm, als ob ihn Gabriele
     riefe. Als er aber mit klopfendem Herzen auf dem altbekannten Fußsteig immer weiterging, öffnete sich bei dem Hundegebell
     ein Fensterchen im Jägerhaus. Es gab ihm einen Stich ins Herz; es war Gabrielens Schlafkammer, wie oft hatte er dort ihr Gesicht
     im Mondschein gesehen. Heut aber guckte ein Mann hervor und fragte barsch, was es draußen gäbe. Es war der Waldwärter, der
     heimtückische Rotkopf war ihm immer zuwider gewesen. «Was macht Ihr hier in Renalds Haus?» sagte er. «Ich bin müde, ich will
     hinein.» Der Waldwärter sah ihn von Kopf bis zu den Füßen an, er erkannte ihn nicht mehr. «Mit dem Renald ists lange vorbei»,
     entgegnete er dann, «er ist nach Paris gelaufen und hat sich dort mit verdächtigem Gesindel und Rebellen eingelassen, wir
     wissens recht gut, jetzt habe ich seine Stelle vom Grafen.» – Drauf wies er Renald am Waldesrand den Weg zum Wirtshause und
     schlug das Fenster wieder zu. – Oho, stehts so! dachte Renald. Da fielen seine Augen auf sein Gärtchen, die Kirschbäume, die
     er gepflanzt, standen schon in voller Blüte; es schmerzte ihn, daß sie in ihrer Unschuld nicht wußten, für wen sie blühten.
     Währenddes hatte sein alter Hofhund sich gewaltsam vom Stricke losgerissen, sprang liebkosend an ihm herauf und umkreiste
     ihn in weiten Freudensprüngen; er herzte sich mit ihm wie mit einem alten, treuen Freunde. Dann aber wandte er sich rasch
     zum Hause; die Tür war verschlossen, er stieß sie mit einem derben Fußtritt auf. Drin hatte der Waldwärter unterdes Feuer
     gemacht. «Herr Jesus!» rief er erschrocken, da er, entgegentretend, plötzlich beim Widerschein der Lampe den verwilderten
     Renald erkannte. Renald aber achtete nicht darauf, sondern griff nach der Büchse, die überm Bett an der Wand hing. «Lump»,
     sagte er, «das schöne Gewehr so verstauben zu lassen!» Der Waldwärter, die Lampe hinsetzend und auf dem Sprunge, durchs Fenster
     zu entfliehen, sah den furchtbaren Gast seitwärts mit ungewissen Blicken an. Renald bemerkte, daß er zitterte. «Fürcht dich
     nicht», sagte er, «dir tu ich nichts, was kannst du dafür; ich hol mir nur die Büchse, sie ist vom Vater, sie gehört mir und
     nicht dem Grafen, und so wahr der alte Gott noch lebt, so hol ich mir auch mein Recht, und wenn sies im Turmknopf von Dürande
     versiegelt hätten, das sag dem Grafen und wers sonst wissen will.» – Mit diesen Worten pfiff er dem Hunde und schritt wieder
     in den Wald hinaus, wo ihn der Waldwärter bei dem wirren Wetterleuchten bald aus den Augen verloren hatte.
    Währenddes schnurrten im Schloß Dürande die Gewichte der Turmuhr ruhig fort, aber die
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