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Das Schloß Duerande

Das Schloß Duerande

Titel: Das Schloß Duerande
Autoren: Josef Freiherr von Eichendorff
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Sag deinem Bettleradvokaten,
     ich lachte sein und wäre zehntausendmal noch stolzer als er, und wenn ihr beide euch im Hause zeigt, laß ich mit Hunden euch
     vom Hofe hetzen, das sag ihm; fort, fort, fort!» – Hiermit schleuderte er den Zettel dem Jäger ins Gesicht und schob ihn selber
     zum Saal hinaus, die eichene Tür hinter ihm zuwerfend, daß es durchs ganze Haus öde erschallte.
    Renald stand, wild um sich blickend, auf der stillen Treppe. Da bemerkte er erst, daß er den Zettel noch krampfhaft in den
     Händen hielt; er entfaltete ihn hastig und las an dem flackernden Licht einer halbverlöschten Laterne die Worte: «Hütet Euch.
     Ein Freund des Volks.» –
    Unterdes hörte er oben den Grafen heftig klingeln; mehrere Stimmen wurden im Hause wach; er stieg langsam hinunter wie ins
     Grab. Im Hofe blickte er noch einmal zurück, die Fenster des Grafen waren noch erleuchtet, man sah ihn im Saale heftig auf
     und nieder gehen. Da hörte Renald auf einmal draußen durch den Wind singen:
    Am Himmelsgrund schießen
So lustig die Stern,
Dein Schatz läßt dich grüßen
Aus weiter, weiter Fern!
    Hat eine Zither gehangen
An der Tür unbeacht't,
Der Wind ist gegangen
Durch die Saiten bei Nacht.
    Schwang sich auf dann vom Gitter
Über die Berge, übern Wald –
Mein Herz ist die Zither,
Gibt einen fröhlichen Schall.
    Die Weise ging ihm durch Mark und Bein; er kannte sie wohl. – Der Mond streifte soeben durch die vorüberfliegenden Wolken
     den Seitenflügel des Schlosses, da glaubte er in dem einen Fenster flüchtig Gabrielen zu erkennen; als er sich aber wandte,
     wurde es schnell geschlossen. Ganz erschrocken und verwirrt warf er sich auf die nächste Tür, sie war fest zu. Da trat er
     unter das Fenster und rief leise aus tiefster Seele hinauf, ob sie drin wider ihren Willen festgehalten werde? so solle sie
     ihm ein Zeichen geben, es sei keine Mauer so stark wie die Gerechtigkeit Gottes. – Es rührte sich nichts als die Wetterfahne
     auf dem Dach. – «Gabriele», rief er nun lauter, «meine arme Gabriele, der Wind in der Nacht weint um dich an den Fenstern,
     ich liebte dich so sehr, ich lieb dich noch immer, um Gottes willen komm, komm herab zu mir, wir wollen miteinander fortziehen,
     weit, weit fort, wo uns niemand kennt, ich will für dich betteln von Haus zu Haus, es ist ja kein Lager so hart, kein Frost
     so scharf, keine Not so bitter als die Schande.»
    Er schwieg erschöpft, es war alles wieder still, nur die Tanzmusik von dem Balle schallte noch von fern über den Hof herüber,
     der Wind trieb große Schneeflocken schräg über die harte Erde, er war ganz verschneit. – «Nun, so gnade uns beiden Gott!»
     sagte er, sich abwendend, schüttelte den Schnee vom Mantel und schritt rasch fort.
    Als er zu der Schenke seines Vetters zurückkam, fand er zu seinem Erstaunen das ganze Haus verschlossen. Auf sein heftiges
     Pochen trat der Nachbar, sich vorsichtig nach den Seiten umsehend, aus seiner Tür, er schien auf des Jägers Rückkehr gewartet
     zu haben und erzählte ihm geheimnisvoll, das Nest nebenan sei ausgenommen, Polizeisoldaten hätten heute abend den Vetter plötzlich
     abgeführt, niemand wisse wohin. – Den Renald überraschte und verwunderte nichts mehr, und zerstreut mit flüchtigem Danke nahm
     er alles an, als der Nachbar nun auch das gerettete Reisebündel des Jägers unter dem Mantel hervorbrachte und ihm selbst eine
     Zuflucht in seinem Hause anbot.
    Gleich am andern Morgen aber begann Renald seine Runde in der weitläufigen Stadt; er mochte nichts mehr von der Großmut des
     stolzen Grafen, er wollte jetzt nur sein Recht! So suchte er unverdrossen eine Menge Advokaten hinter ihren großen Tintenfässern
     auf, aber die sahens gleich alle den goldbortenen Rauten seines Rockes an, daß sie nicht aus seiner eigenen Tasche gewachsen
     waren; der eine verlangte unmögliche Zeugen, der andere Dokumente, die er nicht hatte, und alle forderten Vorschuß. Ein junger,
     reicher Advokat wollte sich totlachen über die ganze Geschichte; er fragte, ob die Schwester jung, schön, und erbot sich,
     den ganzen Handel umsonst zu führen und die arme Waise dann zu sich ins Haus zu nehmen, während ein andrer gar das Mädchen
     selber heiraten wollte, wenn sie fernerhin beim Grafen bliebe. – In tiefster Seele empört, wandte sich Renald nun an die Polizeibehörde;
     aber da wurde er aus einem Revier ins andere geschickt, von Pontius zu Pilatus, und jeder wusch seine Hände in Unschuld,
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