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Das Schloß Duerande

Das Schloß Duerande

Titel: Das Schloß Duerande
Autoren: Josef Freiherr von Eichendorff
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Getöse hinein, die Welt rückte
     immer enger und dunkler zusammen, der Lärm, das Rasseln der Wagen betäubte, das wechselnde Streiflicht aus den geputzten Läden
     blendete ihn; so war er ganz verwirrt, als er endlich im Wind den roten Löwen, das Zeichen seines Vetters, schwanken sah,
     der in der Vorstadt einen Weinschank hielt. Dieser saß eben vor der Tür seines kleinen Hauses und verwunderte sich nicht wenig,
     da er den verstaubten Wandersmann erkannte. Doch Renald stand wie auf Kohlen. «War Gabriele bei dir?» fragte er gleich nach
     der ersten Begrüßung gespannt. – Der Vetter schüttelte erstaunt den Kopf, er wußte von nichts. «Also doch!» sagte Renald,
     mit dem Fuß auf die Erde stampfend; aber er konnte es nicht über die Lippen bringen, was er vermute und vorhabe.
    Sie gingen nun in das Haus und kamen in ein langes, wüstes Gemach, das von einem Kaminfeuer im Hintergrunde ungewiß erleuchtet
     wurde. In den roten Widerscheinen lag dort ein wilder Haufe umher: abgedankte Soldaten, müßige Handwerksburschen und dergleichen
     Hornkäfer, wie sie in der Abendzeit um die großen Städte schwärmen. Alle Blicke aber hingen an einem hohen, hagern Manne mit
     bleichem, scharfgeschnittenem Gesicht, der, den Hut auf dem Kopf und seinen langen Mantel stolz und vornehm über die linke
     Achsel zurückgeschlagen, mitten unter ihnen stand. – «Ihr seid der Nährstand», rief er soeben aus; «wer aber die andern nährt,
     der ist ihr Herr; hoch auf, ihr Herren!» – Er hob ein Glas, alles jauchzte wild auf und griff nach den Flaschen, er aber tauchte
     kaum die feinen Lippen in den dunkelroten Wein, als schlürft er Blut, seine spielenden Blicke gingen über dem Glase kalt und
     lauernd in die Runde.
    Da funkelte das Kaminfeuer über Renalds blankes Bandelier, das stach plötzlich in ihre Augen. Ein starker Kerl mit rotem Gesicht
     und Haar wie ein brennender Dornbusch trat mit übermütiger Bettelhaftigkeit dicht vor Renald und fragte, ob er dem Großtürken
     diene? Ein anderer meinte, er habe ja da, wie ein Hund, ein adeliges Halsband umhängen. – Renald griff rasch nach seinem Hirschfänger,
     aber der lange Redner trat dazwischen, sie wichen ihm scheu und ehrerbietig aus. Dieser führte den Jäger an einen abgelegenen
     Tisch und fragte, wohin er wolle. Da Renald den Grafen Dürande nannte, sagte er: «Das ist ein altes Haus, aber der Totenwurm
     pickt schon drin, ganz von Liebschaften zerfressen.» – Renald erschrak, er glaubte, jeder müßte ihm seine Schande an der Stirn
     ansehen. «Warum kommt Ihr gerade auf die Liebschaften?» fragte er zögernd. – «Warum?» erwiderte jener, «sind sie nicht die
     Herrn im Forst, ist das Wild nicht ihre, hohes und niederes? Sind wir nicht verfluchte Hunde und lecken die Schuh, wenn sie
     uns stoßen?» – Das verdroß Renald; er entgegnete kurz und stolz, der junge Graf Dürande sei ein großmütiger Herr, er wolle
     nur sein Recht von ihm und weiter nichts. – Bei diesen Worten hatte der Fremde ihn aufmerksam betrachtet und sagte ernst:
     «Ihr seht aus wie ein Scharfrichter, der, das Schwert unterm Mantel, zu Gerichte geht; es kommt die Zeit, gedenkt an mich,
     Ihr werdet der Rüstigen einer sein bei der blutigen Arbeit.» – Dann zog er ein Blättchen hervor, schrieb etwas mit Bleistift
     darauf, versiegelte es am Licht und reichte es Renald hin. «Die Grafen hier kennen mich wohl», sagte er; er solle das nur
     abgeben an Dürande, wenn er einen Strauß mit ihm habe, es könnte ihm vielleicht von Nutzen sein. – «Wer ist der Herr?» fragte
     Renald seinen Vetter, da der Fremde sich rasch wieder wandte. – «Ein Feind der Tyrannen», entgegnete der Vetter leise und
     geheimnisvoll.
    Dem Renald aber gefiel hier die ganze Wirtschaft nicht, er war müde von der Reise und streckte sich bald in einer Nebenkammer
     auf das Lager, das ihm der Vetter angewiesen. Da konnte er vernehmen, wie immer mehr und mehr Gäste nebenan allmählich die
     Stube füllten; er hörte die Stimme des Fremden wieder dazwischen, eine wilde Predigt, von der er nur einzelne Worte verstand,
     manchmal blitzte das Kaminfeuer blutrot durch die Ritzen der schlechtverwahrten Tür; so schlief er spät unter furchtbaren
     Träumen ein.
     
    Der Ball war noch nicht beendigt, aber der junge Graf Dürande hatte dort so viel Wunderbares gehört von den feurigen Zeichen
     einer Revolution, vom heimlichen Aufblitzen kampffertiger Geschwader, Jakobiner, Volksfreunde und Royalisten, daß
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