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Das Schloß Duerande

Das Schloß Duerande

Titel: Das Schloß Duerande
Autoren: Josef Freiherr von Eichendorff
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ein Kind im Kloster, als klagte es, daß es geboren in
     dieser Zeit. Im Dorfe aber war es wie ausgekehrt, die Bauern guckten scheu aus den Fenstern, sie hielten den Grafen für einen
     Herrn von der Nation. Als ihn aber nach und nach einige wiedererkannten, stürzte auf einmal alles heraus und umringte ihn,
     hungrig, zerlumpt und bettelnd. Mein Gott, mein Gott, dachte er, wie wird die Welt so öde! – Er warf alles Geld, das er bei
     sich hatte, unter den Haufen, dann setzte er rasch die Sporen ein und wandte sich wieder nach Hause.
    Es war schon völlig Nacht, als er in Dürande ankam. Da bemerkte er mit Erstaunen im Schloß einen unnatürlichen Aufruhr, Lichter
     liefen von Fenster zu Fenster, und einzelne Stimmen schweiften durch den dunklen Garten, als suchten sie jemand. Er schwang
     sich rasch vom Pferde und eilte ins Haus. Aber auf der Treppe stürzte schon der Kammerdiener mit einem versiegelten Blatte
     atemlos entgegen: es seien Männer unten, die es abgegeben und trotzig Antwort verlangten. Ein Jäger, aus dem Garten hinzutretend,
     fragte ängstlich den Grafen, ob er draußen dem Gärtnerburschen begegnet? Der Bursch habe ihn überall gesucht, der Graf möge
     sich aber hüten vor ihm, er sei in der Dämmerung verdächtig im Dorf gesehen worden, ein Bündel unterm Arm, mit allerlei Gesindel
     sprechend, nun sei er gar spurlos verschwunden.
    Der Graf; unterdes oben im erleuchteten Zimmer angelangt, erbrach den Brief und las in schlechter, mit blasser Tinte mühsam
     gezeichneter Handschrift: Im Namen Gottes verordne ich hiermit, daß der Graf Hippolyt von Dürande auf einem mit dem gräflichen
     Wappen besiegelten Pergament die einzige Tochter des verstorbenen Försters am Schloßberg, Gabriele Dubois, als seine rechtmäßige
     Braut und künftiges Gemahl bekennen und annehmen soll. Dieses Gelöbnis soll heute bis elf Uhr nachts in dem Jägerhause abgeliefert
     werden. Ein Schuß aus dem Schloßfenster aber bedeutet: Nein. Renald.
    «Was ist die Uhr?» fragte der Graf – Bald Mitter, erwiderten einige, sie hätten ihn so lange im Walde und Garten vergeblich
     gesucht. – «Wer von euch sah den Renald, wo kam er her?» fragte er von neuem. Alles schwieg. Da warf er den Brief auf den
     Tisch. «Der Rasende!» sagte er und befahl für jeden Fall die Zugbrücke aufzuziehen, dann öffnete er rasch das Fenster und
     schoß ein Pistol als Antwort in die Luft hinaus. Da gab es einen wilden Widerhall durch die stille Nacht, Geschrei und Rufen
     und einzelne Flintenschüsse bis in die fernsten Schlünde hinein, und als der Graf sich wieder wandte, sah er in dem Saal einen
     Kreis verstörter Gesichter lautlos um sich her.
    Er schalt sie Hasenjäger, denen vor Wölfen graute. «Ihr habt lange genug Krieg gespielt im Walde», sagte er, «nun wendet sich
     die Jagd, wir sind jetzt das Wild, wir müssen durch. Was wird es sein! Ein Tollhaus mehr ist wieder aufgeriegelt, der rasende
     Veitstanz geht durchs Land, und der Renald geigt ihnen vor. Ich hab nichts mit dem Volk, ich tat ihnen nichts als Gutes, wollen
     sie noch Besseres, sie sollens ehrlich fordern, ich gäbs ihnen gern, abschrecken aber laß ich mir keine Handbreit meines alten
     Grund und Bodens; Trotz gegen Trotz!»
    So trieb er sie in den Hof hinab, er selber half die Pforten, Luken und Fenster verrammen. Waffen wurden rasselnd von allen
     Seiten herbeigeschleppt, sein fröhlicher Mut belebte alle. Man zündete mitten im Hofe ein großes Feuer an, die Jäger lagerten
     sich herum und gossen Kugeln in den roten Widerscheinen, die lustig über die stillen Mauern liefen – sie merkten nicht, wie
     die Raben, von der plötzlichen Helle aufgeschreckt, ächzend über ihnen die alten Türme umkreisten. – Jetzt brachte ein Jäger
     mit großem Geschrei den Hut und die Jacke des Gärtnerburschen, die er zu seiner Verwunderung beim Aufsuchen der Waffen im
     Winkel eines abgelegenen Gemaches gefunden. Einige meinten, das Bürschchen sei vor Angst aus der Haut gefahren, andere schworen,
     er sei ein Schleicher und Verräter, während der alte Schloßwart Nicolo, schlau lächelnd, seinem Nachbar heimlich etwas ins
     Ohr flüsterte. Der Graf bemerkte es. «Was lachst du?» fuhr er den Alten an; eine entsetzliche Ahnung flog plötzlich durch
     seine Seele. Alle sahen verlegen zu Boden. Da faßte er den erschrockenen Schloßwart hastig am Arm und führte ihn mit fort
     in einen entlegenen Teil des Hofes, wohin nur einige schwankende Schimmer des Feuers langten.
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