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Das Schloss der tausend Sünden

Das Schloss der tausend Sünden

Titel: Das Schloss der tausend Sünden
Autoren: Portia Da Costa
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war nun friedlich und wirkte sanft von der Sonne geküsst. An den Grashalmen hingen kleine diamantene Glastropfen, und das Grün sah fast unnatürlich aus. Der Himmel erstrahlte in einem zarten, von Rosa durchsetzten Blau, über das dünne Dunststreifen zogen, die sich aber bereits langsam auflösten. Selbst das graue Kloster auf der anderen Seite des Parks sah recht hübsch aus und wirkte kein bisschen mehr wie der unheimliche, leerstehende Klotz von gestern Abend. Sobald sie ihre Sachen gefunden hatte, würde sie es sich näher ansehen, beschloss Belinda.
    Sie ging denselben Weg, den sie in der Nacht zurückgelegt hatte. Dabei schaute sie sich trotz der verwunschenen Menschenleere im Park immer wieder vorsichtig um, ob nicht vielleicht doch ungebetene Gesellschaft auftauchen würde. Es dauerte nicht lange, und die junge Frau fand die Lichtung, auf der sie gestern dieses merkwürdige Erlebnis gehabt hatte. Und dort lagen auch ihre Kleider. Als Belinda wieder einfiel, wie sie sich ihre Sachen vom Leib gerissen hatte, geriet ihr Blut bei dem Gedanken an ihr primitives und heidnisches Verhalten erneut in Wallung. Doch auch wenn sie es jetzt mit ausgesprochener Verlegenheit tat, sie musste sich erneut hinhocken.
    Da ihre Kleidung klitschnass im Schatten gelegen hatte, war sie jetzt natürlich noch sehr feucht. Als der klamme, eiskalte Stoff ihre Haut berührte, schauderte sie, tröstete sich aber mit dem Gedanken, dass die Sachen wenigstens wieder sauber waren. Belinda hatte es schon immer gehasst, bereits getragene Kleidung ein zweites Mal anzuziehen – besonders nach wildem Sex. Plötzlich tauchte vor ihrem geistigen Auge das Bild eines heißen Schaumbades auf, und sie fragte sich, ob es in der Nähe wohl einen Flussoder so etwas gab, wo sie sich vor ihrem Erkundungsgang noch ein wenig waschen könnte.
    Verlauf dich nur nicht, sagte sie zu sich selbst und drehte sich in ihren patschenden Turnschuhen einmal im Kreis. Überall standen Bäume, und der Wald wirkte dicht und tief. Nur in Richtung des Pavillons war helles Licht zu sehen.
    Jonathan schlief noch immer tief und fest, als Belinda in ihren runden weißen Unterschlupf zurückkehrte. Aber so gern sie ihr weiteres Vorgehen mit ihm besprochen hätte, Belinda brachte es nicht fertig, ihn zu wecken. Während ihrer Abwesenheit hatte er sich erneut gedreht und lag jetzt in Fötusstellung da. Seine beiden Hände waren so niedlich unter dem schlafenden Gesicht gefaltet, dass er wie die reinste Unschuld aussah. Belinda beschloss, einmal zum Kloster und zurück zu gehen, um ihm Zeit zu lassen, von allein wach zu werden.
    Als sie über den Rasen lief, lenkte die pure Lebensfreude sie schnell von ihren nassen Sachen und der Tatsache ab, dass sie und Jonathan sich verirrt hatten. Die Sonne stand bereits erstaunlich hoch, und eine leichte Brise zauberte ein sanftes Wogen über das mit Tropfen geschmückte Gras. Die Vögel im Wald sangen ihr fröhliches Lied, und Belinda sah sogar ein Kaninchen oder einen Hasen, der voller Ekstase am Waldrand entlangflitzte. Je mehr sie sich dem Kloster näherte, desto weniger hatte es mit dem Bild gemein, das es gestern Abend noch geboten hatte.
    Das Gebäude erschien größer und zugleich kleiner als letzte Nacht. Es erstreckte sich mit mehreren Flügeln, Bogenpfeilern und sogar einem Zinnenturm viel weiter nach hinten, als Belinda vermutete, machte bei Tage aber nicht mehr den Eindruck, es würde bedrohlich weit in den Himmel ragen.
    Dennoch waren Worte wie «reizend» oder «entzückend» nicht gerade die geeigneten Vokabeln, um das Gebäude zu beschreiben. Die großen bleiverglasten Fenster mit ihren spitzen gotischen Bögen und den winzigen rautenförmigen Scheiben machten einen eigenartigen und wachsamen Eindruck, so als würde dahinter jemand auf der Lauer liegen.
    «Jetzt hör schon auf mit dem Quatsch», schalt sich Belinda laut, die Augen immer noch aufmerksam auf das Kloster gerichtet. Es dauerte nur ein paar Sekunden, bis ihr auffiel, was sich an dem Haus wirklich geändert oder was gestern Abend noch anders gewirkt hatte. Letzte Nacht hatte das Kloster verlassen und heruntergekommen wie eine zerbombte Ruine ausgesehen. Jetzt, im hellen Tageslicht, bot sich ihr zwar immer noch nicht der Anblick eines guterhaltenen Gebäudes, aber es sah auf jeden Fall stabil genug aus, um darin zu wohnen.
    Belinda schlüpfte aus ihren unangenehm nassen Turnschuhen und blickte konzentriert auf eines der oberen Fenster, hinter dem sie eine Bewegung
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