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Das Schlangenschwert

Das Schlangenschwert

Titel: Das Schlangenschwert
Autoren: Sergej Lukianenko
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Unterschied für dich?«
    Ich glaubte bei mir, dass Stasj wahrscheinlich Recht hatte. Ich erinnerte mich lebhaft daran, welche Sorge in der Stimme von Ada Schnee mitgeklungen hatte: »Ihr haftet für ihn mit eurem Kopf!«
    »Worin besteht der Unterschied? Und wenn der Krieg ausbricht? Was wird dann?«
    »Es wird keinen Krieg geben«, meinte Stasj müde. »Das Imperium hat Verhandlungen mit Inej begonnen. Der Status quo wird vereinbart: die Existenz von zwei menschlichen Zivilisationen in der Galaxis. Sollen sie sich ruhig ihrer Herrschaft freuen. Sollen sie die Gesellschaft aufbauen, die ihnen gefällt. Die Zeit wird zeigen, wer Recht hat.«
    »Schnee wird sich niemals darauf einlassen! Sie fordert alles und das sofort!«
    »Alles, aber nicht sofort. Ihnen ist klar, dass sie gegenwärtig nicht im Vorteil sind. Inej kann das Imperium zerstören, aber nicht besiegen. Snow und alle anderen Klone brauchen keine in Asche gelegten Planeten. Der Imperator braucht sie auch nicht. Es wird einen schalen Frieden geben.«
    Er verstummte. Ich sah Lion an, Semetzki und Natascha. Sie schienen nicht erstaunt. Sie wussten das bereits.
    Und sie glaubten Stasj.
    »Ich möchte nicht auf Neu-Kuweit leben«, flüsterte ich. »Ich möchte kein Klon von Schnee sein. Ich bin Tikkirej. Tikkirej vom Planeten Karijer! Ich gehöre mir selbst!«
    Niemand sagte ein Wort.
    »Du hast mich doch dazu gemacht«, wandte ich mich an Stasj. »Du hast mir doch beigebracht, dass man selbst seinen Weg wählen muss, dass es schlecht ist, Menschen zu zwingen, dass Versklavung schlimmer ist als der Tod, dass man Freunde nicht verrät, dass der Mensch immer eine Wahlmöglichkeit haben muss. Wie soll ich jetzt leben? Ich werde es nicht können. Es wird mir nicht gelingen!«
    Ich schaute zu Lion – und der senkte die Augen. Welche Wahl blieb ihm denn, er hatte doch hier seine hirnamputierte Familie... Obwohl, wieso glaubte ich, dass man ihm überhaupt eine Wahl ließ?
    »Dann ist es schon besser, dass mein Gedächtnis gelöscht wird und ich auf den Avalon zurückkehre«, meinte ich. »Dann vergesse ich wenigstens, dass ich der Klon eines Diktators bin. Und dass du mich verraten hast, werde ich auch vergessen. Und du, wenn du auf den Avalon zurückkommst, sprich mich ja nicht darauf an.«
    »Tikkirej, ich habe dich nicht verraten«, antwortete Stasj ruhig. »Und auf den Avalon werde ich nicht zurückkommen. Man wird mich hinrichten. Und Juri Michailowitsch ebenfalls. Was Alex, Lion und Natascha betrifft, bin ich mir nicht sicher, aber nach den Gesetzen des Inej werden auch Minderjährige wegen Staatsverbrechen verurteilt. Nur du hast eine Chance, dich zu retten.«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Versuche, zu verstehen, dass das unabwendbar ist«, fuhr Stasj fort. »Ich bin ein Terrorist. Ich stehe nicht einmal im offiziellen Dienst des Imperators, ich falle nicht unter das Gesetz über Kriegsgefangene. Und Semetzki auch nicht. Vom Standpunkt des Gesetzes – eines beliebigen Gesetzes – sind wir nichts weiter als eine Bande von Verbrechern, schuldig an Morden, Anschlägen, dem Versuch einer Raumschiffentführung, Dokumentenfälschung, Widerstand gegen die Staatsgewalt und was sonst nicht alles. Nach den Regeln des Kriegsrechts steht uns nicht einmal ein Verfahren zu.«
    »Ich hoffe, dass sie die Mädchen in Ruhe lassen«, murmelte Semetzki.
    »Juri Michailowitsch, wie sind Sie hierhergekommen?«, erkundigte ich mich. »Wo sind Ihre ›Schrecklichen‹?«
    »Wir wurden gestern Nacht im Schlaf überfallen. Das ganze Lager wurde mit Paralysatoren abgedeckt. Opfer gab es nicht.« Semetzki lächelte traurig. »Ich hoffe, dass es keine gab. Und vor drei Stunden, kurz bevor du hierhergebracht wurdest, überstellte man mich in diese Zelle.«
    »Wir standen seit langem unter Beobachtung«, sagte Lion. »Bestimmt, seit wir im Motel aufgetaucht sind.«
    »Dieses Mädchen von der Rezeption ist auch ein Klon«, ergänzte ich. »Aber es sieht ganz so aus, als hätte sie ihr eigenes Bewusstsein behalten...«
    »Sie ist nicht nur ein Klon. Sie ist der Klon eines Klons«, warf Stasj ein. »Ich weiß nicht, was für eine psychische Abweichung das ist, aber die Kopien der Schnee gefallen sich darin, sich auf diese Art und Weise zu vermehren.«
    Lion bekam vor Staunen runde Augen.
    »So besiedeln sie ja alle Planeten! Verdrängen die normalen Menschen!«
    »Das glaube ich nicht.« Stasj schüttelte den Kopf. »Die Machtstrukturen werden von ihnen ausgefüllt, das ist schon möglich.
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