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Das Schlangenschwert

Das Schlangenschwert

Titel: Das Schlangenschwert
Autoren: Sergej Lukianenko
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fröhlich, naiv und lebensfroh wie ein Welpe, auf Hilfe von irgendeiner Seite verzichtet hätte! Als ob ich mich nicht über Tausende »Brüder« und »Schwestern« gefreut hätte!
    Vielleicht wäre ich sogar mit dem fremden Bewusstsein einverstanden gewesen.
    »Warum haben uns die Phagen nach Neu-Kuweit geschickt?«, fragte ich.
    »Um die Reaktion der Gegenspionage des Inej zu beobachten. Und die Matrize zu finden.«
    »Und du hast mir nichts gesagt...«, flüsterte ich.
    Stasj rieb sich die Stirn. Zerstreut schaute er nach oben – vielleicht suchte er die Überwachungsapparaturen an der Decke, vielleicht die passenden Worte.
    »Ich weiß nicht, ob du mich verstehen wirst, Tikkirej.«
    »Versuch es!«, erwiderte ich. »Ich bin sehr verständnisvoll.«
    »Weißt du Tikkirej, es gibt verschiedene Arten der Zuneigung. Ein Vater schickt seinen Sohn in den Krieg und wünscht ihm Sieg und Ehre. Ein anderer nimmt ihn am Schlafittchen, versteckt ihn im Untergrund und ist bereit, in den Tod zu gehen, um seinen Sohn vor dem kleinsten Übel zu bewahren. Es steht mir nicht an, zu urteilen, wer von den beiden Recht hat. Und du bist mir kein Sohn. Und für den Krieg bist du noch zu jung. Aus alldem folgt, dass ich dich einfach benutzt habe. Hintergangen. Aber dem ist nicht so. Ich konnte nicht gegen dein Schicksal handeln.«
    »Welches Schicksal?«, fragte ich fordernd.
    »Wenn ich das wüsste! Aber eines ist es gewiss nicht – auf dem Avalon in die Schule gehen und Schneeballschlachten machen. Indem du nach Neu-Kuweit gegangen bist, konntest du in einem großen Krieg helfen. Tausende, Millionen von Leben retten. Und das hast du gemacht.«
    »Gemacht? Wie?« Ich lachte auf. »Ich konnte nicht einmal die Matrize töten, obwohl ich mit aller Kraft auf sie geschossen habe! Ich habe nichts erreicht. Ich kann gar nichts anderes, außer auf dem Avalon zur Schule zu gehen und mit Schneebällen zu schmeißen! Du hast doch Alex, ihr hättet ihn maskieren können, damit er aussieht wie ich, und ihn herschicken können! Es ist das Schicksal eines Phagen, gegen Schurken zu kämpfen! Warum mischt ihr euch dann in mein Leben ein?«
    Ich verstummte, weil ich mir in diesem Augenblick die Antwort vorstellte:
    »Also hätte man dich auf Neu-Kuweit zurücklassen sollen?«
    Aber das sprach Stasj nicht aus.
    Alex, der sich immer noch im Bett herumwälzte, mischte sich ein. »Du mühst dich umsonst, Stasj. Er wird nichts verstehen! Außerdem hat er Recht: Er sollte in die Schule gehen, Fußball spielen und im Fluss baden.«
    »Und warum habt ihr Lion hierhergeschickt?«, fuhr ich, angeregt von der unerwarteten Unterstützung, fort. »Warum habt ihr ihn betrogen?«
    »Ich hab es selbst gewollt«, sagte Lion unerwartet. »Ich wollte zu meinen Eltern. Auch wenn sie hirnamputiert sind, sie sind meine Eltern.«
    »Natascha?« Ich schaute sie an. »Sag, hab ich Recht?«
    Sie zuckte mit den Schultern.
    An ihrer Stelle fing der alte Semetzki an zu reden: »Tikkirej, ein Rennpferd spannt man nicht vor den Pflug. Nimm einmal an, du wärst jetzt auf dem Avalon. Wir anderen alle wären hier. Und du auf dem Avalon. Du hast Schule. Danach gehst du nach Hause, isst etwas und siehst fern. Würde dir das gefallen?«
    »Das ist doch egal! Ich bin hier!«
    »Stell es dir trotzdem vor!«, wiederholte Semetzki hartnäckig, »Das ist eine Art Spiel. Wenn dir irgendetwas nicht gefällt, stell dir vor, wie es anders sein könnte.«
    »Das ist nicht fair.«
    »Warum nicht fair? Nein, sag mir, möchtest du auf dem Avalon sein?«
    »Ja!«, erwiderte ich boshaft.
    Überraschend mischte sich Stasj ein: »Frag die Matrize. Sie schicken dich zum Avalon zurück.« Ich konnte darüber nur lachen. Aber Stasj fuhr hartnäckig fort: »Du hast keine Ahnung, welche Gefühle die Klone füreinander empfinden. Besonders die Matrize zu ihren Klonen. Du kannst auf die Matrize schießen, das mindert ihre Sympathie zu dir nicht. Du bist für sie nur ein verirrtes, betrogenes Kind. Sie löschen in deinem Gedächtnis alles, was du von dem weißt, was auf Neu-Kuweit passiert ist, und schicken dich zum Avalon. Glaub mir! Du musst sie lediglich darum bitten.«
    »Das ist kein Ausweg!«, rief ich. »Und du weißt selbst, dass ich das nicht will! Das wäre fast wie Selbstmord, das Gedächtnis zu löschen!«
    »Dann bitte darum, dass sie dich hier in Ruhe lassen, auf einem Planeten des Inej«, schlug Stasj vor. »Du wirst in die Schule gehen, Fußball spielen und angeln. Worin besteht da der
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