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Das Schiff im Baum: Ein Sommerabenteuer (German Edition)

Das Schiff im Baum: Ein Sommerabenteuer (German Edition)

Titel: Das Schiff im Baum: Ein Sommerabenteuer (German Edition)
Autoren: Jutta Richter
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öffnete die Speisekammer, holte die Plätzchendose und einen großen Krug mit kalter Zitronenlimonade. Sie stellte alles auf den Küchentisch, der mit einer Wachstuchdecke bespannt war.
    »Zitronenlimonade, Huckleberry, Zitronenlimonade hat ihre Mutter immer am liebsten getrunken!«
    Tante Polly zog den Kittel aus und zupfte ihren Spitzenkragen zurecht. Der Spitzenkragen war ein Erbstück und sie trug ihn nur an ganz besonderen Tagen. Aber heute war so ein Tag. Die Vorfreude funkelte in Tante Pollys Augen. Immer wieder lief sie zum Fenster und sah nach, ob das Auto schon da war.
    Und dann stieß sie einen kleinen Freudenschrei aus, als ein rotes Auto am Straßenrand anhielt.
    »Sie sind da, Huckleberry, sie sind da!«
    Der Kater Huckleberry sprang mit einem Satz von der Sessellehne und flüchtete unter das Küchensofa, während Tante Polly die Haustür aufriss und ihren Gästen mit weit ausgebreiteten Armen entgegenlief.

 
    FÜNFTES KAPITEL,
     
    in dem es Zitronenlimonade,
    Streit und einen Abschied gibt
     
    Das Haus sah aus, als wäre es aus einem meiner Märchenfilme gefallen. Schneeweißchen und Rosenrot wahrscheinlich.
    »Krass!«, murmelte Ole.
    Neben der Tür stand eine blaue Gartenbank, ein riesiger Walnussbaum daneben. Seltsam, aber der Baum war völlig gerade gewachsen. Das reetgedeckte Dach des Häuschens hing tief über den kleinen Fenstern, die von den blauen Fensterläden eingerahmt wurden. Auf dem Schornstein saß ein weißes Taubenpärchen und ruckte die Hälse und ein Rosenbogen in voller Blüte überspannte den Plattenweg, der zum Eingang führte.
    Und dann wurde die Tür aufgestoßen und eine kleine uralte runzlige Frau in einem dunkelblauen Kleid mit gehäkeltem Spitzenkragen breitete ihre Arme aus und kam auf uns zu.
    »Oberkrass!«, murmelte Ole.
    »Tante Polly!«, kreischte Mama und rannte los.
    »Paulinchen!«, rief Tante Polly.
    Die beiden fielen sich in die Arme. Mama und Tante Polly oder Tante Polly und Mama, sie fielen sich so in die Arme, dass ich nicht mehr sehen konnte, wo die eine anfing und die andere aufhörte. Und Mamas Stimme war ganz hoch geworden und sie hüpfte auf und ab wie ein kleines Mädchen, wie das kleine Mädchen, das unsere Mama einmal gewesen war. Und das war ganz komisch und unheimlich und irgendwie …
    »Peinlich!«, sagte ich.
    »Oberpeinlich!«, sagte Ole und nahm meine Hand.
    Tante Polly und Mama hatten sich losgelassen und jetzt kam Tante Polly auf uns zu.
    »Lasst euch mal anschauen!«
    Sie hatte hunderttausend Fältchen im Gesicht, ihre hellblauen Augen blitzten. Irgendwie erinnerte Tante Polly mich an Michael Terstappens griechische Landschildkröte.
    Kurz vor den Sommerferien hatte Michael sie mit in die Schule gebracht. Im Biologieunterricht hatten wir dann mit einem Vergrößerungsglas die Haut der Schildkröte untersucht. Aber ich hätte nie gedacht, dass auch Menschen so viele Runzeln haben können.
    »Ach du liebes bisschen!«, rief sie. »Du siehst ja genauso aus wie das Paulinchen damals. Der Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten! Unglaublich, diese Ähnlichkeit!«
    Ich streckte ihr meine Hand entgegen und versuchte, sie auf Abstand zu halten, aber ich hatte keine Chance. Sie packte mich einfach und drückte mich an ihre große weiche Brust.
    Dann schnappte sie sich Ole und küsste ihn mit ihren runzligen Lippen auf beide Backen. Ole machte sich steif wie ein Stock. Wenn er etwas nicht leiden konnte, dann war es abgeknutscht zu werden. Nicht einmal Mama durfte das tun.
    »Herzlich willkommen in Betenbüttel, ihr Lieben! Und jetzt nix wie rein in die gute Stube!«
    Tante Polly legte ihre Arme um unsere Schultern und schob uns ins Haus.
    Ole warf Mama einen Hilfe suchenden Blick zu, aber Mama merkte nichts. Sie war ohne uns auf ihre Zeitreise gegangen, stand jetzt vor den verblichenen Fotos, die im Flur hingen, und bestaunte das kleine Mädchen, das sie einmal gewesen war.
    »Ach, guckt mal, da sitze ich mit Uli Bocksteet auf der Gartenbank. Das Foto hat Onkel Fiete an meinem achten Geburtstag gemacht!«
    »Ja, und danach seid ihr zum Löschteich gerannt und du bist im Eis eingebrochen!«, sagte Tante Polly. »Gott sei Dank ist jetzt Sommer, da kann so was nicht passieren!« Sie kniff uns ein Auge zu.
    »Schwimmen könnt ihr doch, oder? Der Löschteich ist nämlich unsere Badeanstalt!«
    »Was ist eigentlich aus Uli Bocksteet geworden?«
    »Der hat jetzt die Autowerkstatt in Großwedau! Komm endlich in die Küche, Paulinchen! Wir wollen doch Kaffee
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