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Das Schiff im Baum: Ein Sommerabenteuer (German Edition)

Das Schiff im Baum: Ein Sommerabenteuer (German Edition)

Titel: Das Schiff im Baum: Ein Sommerabenteuer (German Edition)
Autoren: Jutta Richter
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trinken.«
    »Zitronenlimonade!« Mama hatte wieder diese hohe Kleinmädchenstimme. »Ich will Zitronenlimonade! Hier ist ja noch alles wie früher, Tante Polly!«
    »Was soll sich auch schon verändern in Betenbüttel?«
    Tante Polly goss die Limonade in die Gläser und stellte sie vor uns hin.
    »Und wo ist Onkel Fiete?«, fragte Mama.
    »Der wird gleich kommen«, sagte Tante Polly. »Er ist noch mal mit dem Hund raus. Du kennst ihn ja. Wenn er unterwegs ist, vergisst er Zeit und Raum … Nun trinkt doch, Kinder! Trinkt!«
    Die Zitronenlimonade war wirklich lecker, aber Ole rührte sein Glas nicht an.
    Er machte ein finsteres Gesicht und starrte auf den Fußboden.
    Doch weder Mama noch Tante Polly beachteten ihn. Sie waren in Mamas Kinderwelt angekommen und redeten von fremden Leuten, die wir nicht kannten.
    »Dürfen wir uns mal draußen umsehen?«, fragte ich.
    »Aber sicher doch! Ihr könnt gleich da die Hintertür nehmen!« Tante Polly zeigte auf eine blaue Tür neben dem Küchenfenster.
    »Da geht’s in den Garten, aber trampelt bloß nicht auf den Beeten rum!«, rief Mama hinter uns her.
    »Hast du das gehört? Ein Löschteich! Ein popeliger Löschteich. Sie hat versprochen, dass es ein Freibad gibt! Und ich Esel freue mich die ganze Fahrt lang drauf, dabei ist es jetzt nur ein Löschteich!«
    Ole trat mit wutverzerrtem Gesicht gegen eine alte Blechgießkanne, die neben der Hintertür stand.
    »Was ist denn so schlimm an einem Löschteich?«
    »Ein Löschteich ist das Allerletzte!«
    Ich hatte keine Ahnung, woher sich mein Bruder so gut mit Löschteichen auskannte. Ich jedenfalls hatte noch nie einen gesehen.
    »Woher weißt du das?«
    »Geschichtsunterricht!«, sagte Ole. »Früher, als noch nicht alle Orte an die zentrale Wasserversorgung angeschlossen waren, baute man oft ortszentral einen Löschteich, der im Falle eines Brandes als Wasserquelle diente. Auch heute werden noch viele dieser Teiche als Blickfang erhalten und als Anziehungspunkt für Touristen genutzt. Einige wurden als Schwimmteiche umfunktioniert, andere als Zierteiche mit Fischen.«
    »Und wieso kannst du das auswendig?«
    »Strafarbeit!«, knurrte Ole.
    Er trat noch einmal gegen die Gießkanne und dann sagte er: »Ich bleibe nicht hier! Nie im Leben bleibe ich hier! Ich bin doch nicht bescheuert!«
    Eigentlich war es ein schöner Garten. Die Beete wurden von kleinen Blumen eingerahmt. Sie wuchsen wie blaue und gelbe Kissen in die Wege hinein. Vor der hohen Hecke blühten große gelbe Sonnenblumen, daneben standen hohe Kerzenblumen, die so blau waren wie manchmal der Septemberhimmel über unserer Stadt. Es gab ein Erdbeerbeet, Sträucher mit weißen Johannisbeeren und eine Himbeerhecke, an der dicke rote Früchte hingen. Dort lief ich hin und pflückte eine Handvoll. Es waren die leckersten Himbeeren, die ich je gegessen hatte.
    »Ich würde die nicht essen!«, sagte Ole. »Da sind bestimmt Würmer drin!«
    Ich merkte, dass ich wütend wurde. Es war ein wunderschöner Garten. Es war ein wunderschönes Haus. Tante Polly war runzlig, aber wirklich nett. Die Sonne schien, die Vögel zwitscherten und mein blöder Bruder hatte Gewitterwolken im Gehirn.
    »Du hast den Teich doch noch gar nicht gesehen!«
    »Muss ich auch nicht!«
    »Dann hau doch ab, du Pfeife!«, brüllte ich. »Hau endlich ab und nöl hier nicht rum.«
    In der hintersten Gartenecke stand ein Holzschuppen und daneben das Hühnerhaus. Drumherum war ein hoher Zaun, drei weiße Hühner scharrten im Staub. Ein großer bunter Hahn stand auf der Hühnerleiter und beäugte mich. Als ich näher kam, fing er an zu krähen. Ich krähte zurück, er krähte wieder, ich krähte zurück. Es war ein fabelhaftes Spiel.
    »Hat sich schon mal einer totgekräht!«, sagte eine Stimme hinter mir.
    Ich fuhr zusammen, drehte mich um. Genau vor mir stand ein uralter Mann mit einer Seemannsmütze. Er war nicht größer als ich, machte ein mürrisches Gesicht und schüttelte den Kopf.
    »Onkel Fiete?«
    »Pauline Feddersen?«, fragte er misstrauisch.
    »Nein, Onkel Fiete, ich heiße Katharina Feddersen!«
    »Und wer ist der Kannentreter da?«
    »Das ist mein Bruder Ole.«
    »Pauline hat keinen Bruder!«
    »Pauline ist meine Mutter und ich bin Katharina und habe wohl einen Bruder!«
    »Du siehst wie Pauline aus!«
    »Ich bin aber Katharina!«
    Onkel Fiete starrte mich an. Ich starrte zurück.
    »Dann bestell deinem Bruder, dass die Gießkanne nichts dafür kann! Für jede Beule wird er bezahlen! Und du,
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