Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schicksal der Zwerge

Das Schicksal der Zwerge

Titel: Das Schicksal der Zwerge
Autoren: Markus Heitz
Vom Netzwerk:
alle kennt den Witz, in dem ein Ork einen Zwerg nach dem Weg fragt, aber ich kenne einen viel besseren«, rief Ladenia. »Wie viele von den nichtsnutzigen Rodarios hier benötigt man, um einen Ork anzuheben?«
    Der Lohasbrander lehnte sich gespannt nach vorn und hatte die linke Hand halb in die Luft gehoben.
    Coira sah hinüber zu den Grünhäuten, die umgehend das Fressen eingestellt hatten und ihre Waffen zogen. Eine Katastrophe bahnte sich an. Sobald der Lohasbrander das Zeichen zu Ende führen würde, kämen sie auf den Platz gestürmt und würden das Spektakel beenden. Wegen eines Witzes. Ladenia hatte keine Ahnung, was sie mit ihrem Spaß anrichten konnte.
    »Na, was denkt ihr?«, setzte die Frau auf dem Podest nach. »Was ist denn los? Traut sich denn keiner?«
    Coira überlegte, wie sie den Lohasbrander ablenken konnte, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen. Was sehr schwierig war, denn die Schergen des Drachen freuten sich über eine Gelegenheit, die Tochter der rechtmäßigen Königin ebenso festsetzen zu dürfen. Sie öffnete den Mund, um ihn etwas Belangloses zu fragen, als Ladenia die Auflösung des Witzes gab: »Ich sage es euch: fünf. Vier halten ihn fest, und einer gräbt ein Loch, damit sich die Füße des Orks überhaupt von der Erde wegbewegen! Stemmen könnte das Gewicht keiner von den Hänflingen.«
    Coira sah, dass der Lohasbrander die Mundwinkel verzog und den Arm senkte. Es war keine Schmähung, die mit Gewalt bestraft werden musste. Es war nicht einmal ein guter Witz.
    Das merkte auch Ladenia, nachdem die bleierne Stille auf dem Platz anhielt. Daraufhin machte sie ein paar schnelle Tanzschritte, drehte sich einmal im Kreis und gab ein Lied zum Besten, bis der Ausrufer nach einigen Schritten auf sie zukam und sie derb an ihren Platz zurückschob.
    »Werte Spectatores, wir haben gesehen, dass zumindest diese Nachfahrin sich im ersten Durchgang keine großen Hoffnungen auf den Titel machen darf«, schmetterte er und lachte sie aus.
    »Und sie zeigte uns außerdem, dass der Unterschied zwischen Lied und Leid nur zwei verdrehte Buchstaben sind.«
    Der Mann wurde mit lautem Lachen für seine bösartigen Kommentare belohnt, und er bedeutete dem nächsten RodarioNachfahren, nach vorne zu treten.
    Nacheinander traten sie vor und bedachten ihre Mitbewerber auf den Titel »Würdigster Nachfahre des Unglaublichen« mit empörenden Schmähreden, bei denen vor allem jede derbe Boshaftigkeit von den Leuten mit lautem Jubel aufgenommen wurde; nur drei Anwärter versuchten sich in Schöngeistigem und Schwarzhumorigem, was weitaus weniger Anklang beim Volk fand.
    Coira verfolgte zum einen das Geschehen auf der Bühne, gleichzeitig behielt sie die Orks und die Lohasbrander im Auge. Sie hatte sich gewünscht, die Darbietungen genießen zu können, doch die Anwesenheit der verhassten Besatzer verdarb ihr das Vergnügen. Solange sie zu denken vermochte, waren sie da gewesen, die Drachendiener.
    Den Drachen selbst hatte sie noch nie zu Gesicht bekommen, doch auf den Zügen der Älteren, die in Weyurn lebten, flackerte die Angst vor dem fliegenden Ungeheuer auf, sobald die Sprache darauf kam. Lohasbrand hatte nach seinem Erscheinen vor zweihundertfünfzig Zyklen halb Weyurn mit Feuer überzogen und die damalige Königin zur Aufgabe gezwungen. Wey die Fünfte hatte sich zum Wohl ihres Volkes unterworfen, nicht aus Feigheit.
    Danach waren die Orks, die Drachenanhänger, gekommen und überwachten seither die Gebiete für den Drachen. Auch Menschen hatten sich gefunden, die dem Geschuppten gerne dienten. Aus ihnen waren die heutigen Lohasbrander hervorgegangen, Weyurns neue Adlige ohne Anstand und Würde.
    Coira wusste, dass sich Lohasbrand zu gern den Rest des Geborgenen Landes einverleibt hätte, um seinen sagenumwobenen Hort im Roten Gebirge mit noch mehr Reichtümern zu füllen, doch es gab zu viele Mitbewerber. Den Gerüchten zufolge hatten sich die vier Gegner auf einen Waffenstillstand geeinigt; Coira ging jedoch nicht davon aus, dass er ewig halten würde. Lohasbrand hatte sich stetig ausgebreitet, bis er mit LotIonan und dem Kordrion aneinandergeraten war, und das würde er bald wieder versuchen. Das meinte sie daran zu erkennen, dass die Wächter, die ihre Mutter umgaben, seit einem halben Zyklus deutlich angespannter waren als vorher.
    Coira reckte den Hals, um nach dem Unerreichbaren, wie er sich nannte, zu sehen: ein gut aussehender Mann von zwanzig Zyklen, der den Bildern des allerersten Rodario wie aus
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher