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Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Silvia Kaffke
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aufwachte und zu quengeln begann.
    «Es hat Hunger.»
    «Woher hast du es?», fragte Aaltje auf Holländisch.
    «Das ist nicht wichtig. Wichtig ist, dass es keine Eltern hat. Es braucht jemanden, der sich um es kümmert.»
    «Was ist es denn?»
    «Ein Mädchen.»
    «Een meisje? Und du bringst es zu mir?» Aaltje sah Lina ungläubig an. «Maar je kunt me niet uitstaan! Du magst mich überhaupt nicht.»
    Lina lächelte. «Das mag schon stimmen. Aber ganz gleich, was ich von dir halte, Aaltje, ich weiß, dass du eine gute Mutter bist und dass du auch der Kleinen eine gute Mutter sein wirst.»
    «Das glaubst du?»
    «Ganz sicher.»
    Aaltje setzte sich auf, knöpfte ihr Nachthemd auf, und Lina gab ihr das Kind. «Wat een mooi meisje!», sagte sie.
    «Ja, das ist sie. Und sie hat viel durchgemacht, ich weiß, dass sie sehr stark ist. Sie wird überleben.»
    Aaltje traten Tränen in die Augen, während sie die Kleine anlegte. Es dauerte nicht lange, da schmatzte das Kind zufrieden. «Wie werden wir das erklären?», fragte sie.
    «Weiß außer dem Pfarrer jemand außerhalb des Hauses, dass dein Kind tot ist?»
    Aaltje schüttelte den Kopf. «Niemand weet iets! Nicht einmal Guste habe ich benachrichtigt und auch Georg nicht.»
    «Gut. Mit dem Hauspersonal rede ich. Und dem Pfarrer schreibe ich einen Brief.»
    Eine Stunde später war Aaltje, das Kind im Arm, eingeschlafen. Lina hatte das tote Kind fest in mehrere Tücher gewickelt und in einen Korb gelegt. «Bring morgen früh diesen Korb zum Pfarrer und gib ihm diesen Brief von mir. Es ist sehr wichtig», sagte sie zu Heinrich.
    Dann machte sie sich auf den Weg nach Hause. Sie dachte an den Brief, den sie dem Pfarrer geschickt hatte. Sie hatte ihn darin gebeten, ihre kleine Nichte in aller Stille zu bestatten und niemandem etwas zu sagen über die Herkunft des Kindes, das an ihrer Stelle im Hause Kaufmeister aufwachsen würde. Jetzt, wo sie sicher auf ihrem Heimweg war, kam alle Müdigkeit über sie, aller Hunger und Durst, alles, was sie in den letzten beiden Tagen erlitten hatte. Leise begann sie zu weinen.

    Robert Borghoff und Hinnerk Dehnen waren auf der Suche nach Lina die meisten Gänge abgeschritten, die direkt vom Versammlungsraum wegführten. Schließlich hatten sie etwas gefunden: viel Blut auf dem Boden, eine spitze Glasscherbe und zwei Messer, von denen eines der kleine Dolch war, mit dem Reppenhagen das Kind hatte töten wollen. Aber keine Spur von Lina und auch nicht von Reppenhagen. Zwar führte eine Blutspur in den Gang, doch sie verlor sich bald. Im weicheren Untergrund unter der stets vom Hochwasser bedrohten Altstadt konnten sie verschiedene Fußspuren entdecken – auch die von Lina. Es sah so aus, als hätte man die beiden weggebracht. Robert stand fassungslos vor dem Blutfleck und fragte sich, wessen Blut das war.
    Schließlich hatte Dehnen ihn überredet, die Suche für diese Nacht abzubrechen. Sie suchten den nächsten Ausgang, der am Rand der Altstadt lag. «Ich danke Ihnen, Herr Dehnen. Sie waren eine große Hilfe», sagte Borghoff, als er sich verabschiedete.
    «Gern geschehen», antwortete der große blonde Mann nur, und dann ging er in Richtung Hafen davon.
    Robert machte sich auf den Weg in die Neustadt. Die Kirchturmuhr schlug vier, ein paar Stunden Schlaf würde er vielleicht noch bekommen, obwohl er sich trotz seiner Erschöpfung nicht vorstellen konnte, schlafen zu können. Er machte sich heftigste Vorwürfe, dass er nicht gleich gestern versucht hatte, Lina zu finden, als sie aller Wahrscheinlichkeit nach irgendwo im Hause der Wienholds gefangen gehalten worden war.
    Er dachte daran, wie wundervoll sie ausgesehen hatte, da unten im Versammlungsraum, trotz ihrer Angst. Und er wünschte sich, ihr Haar zu berühren.
    Je näher er der Harmoniestraße kam, desto langsamer wurde er. Ohne Lina fürchtete er, das Haus nicht ertragen zu können. «Sie lebt ja vielleicht noch», hatte Dehnen ihm gesagt, als er auf das Blut starrte. Aber es hatte sich nicht angehört, als würde der Schiffer daran glauben.
    Er bog um die Ecke der Harmoniestraße und sah von weitem unter der Laterne eine kleine Gestalt. Und im nächsten Moment erfasste er, dass diese Person hinkte, sehr müde und sehr langsam hinkte. In diesem Moment war das für ihn der schönste und anmutigste Gang auf der Welt. «Lina!», rief er, und es war ihm egal, ob er jemanden weckte.
    Sie sah auf, blieb stehen. Er rannte auf sie zu, und sie fiel in seine Arme.
    «Hast du sie geschnappt,
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