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Das Rote Kornfeld

Das Rote Kornfeld

Titel: Das Rote Kornfeld
Autoren: Mo Yan
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was wäre dann aus deinem Haus und deinem Besitz geworden? Komm, gehen wir!»
    Im Frühjahr 1940 war es besonders kalt. Sämtliche Dörfer der Gemeinde Nordost-Gaomi waren zerstört. Die Überlebenden hausten wie Murmeltiere in ihren Höhlen. Hunger und Kälte hielten das mächtige Jiao-Gao-Regiment im Würgegriff. Die Anzahl der Kranken stieg ständig, und alle Kämpfer, vom Kommandanten bis hinab zum einfachen Infanteristen, waren vor Hunger hager und ausgemergelt und zitterten in ihren dünnen Jacken vor Kälte. Sie schlugen ihr Lager in einem kleinen Dorf in der Nähe der Salzwassermündung auf, und wenn die Sonne schien, lagen sie auf der eingerissenen Dorfmauer, jagten Läuse und sogen Sonnenstrahlen ein. Den ganzen Tag lang sammelten sie Energie, und in der Nacht zitterten sie vor Kälte. Sich dem Feind zu stellen, wagten sie nicht. Selbst wenn die Japaner sie nicht töten würden, hatten sie Angst zu erfrieren.
    Inzwischen hatte sich Cheng Mazi zum tapfersten Kämpfer des Regiments entwickelt, ein Mann mit einem Herzen wie ein Löwe, der das volle Vertrauen des Kommandanten genoss. Er brauchte kein Gewehr. Seine Lieblingswaffe waren Handgranaten. In der Schlacht stürzte er sich in die vorderste Reihe und schleuderte eine Handgranate nach der anderen auf den Feind. Auch wenn der Feind nur noch sechs oder sieben Meter entfernt war, blieb er aufrecht stehen. So seltsam es auch ist, selbst wenn Granatsplitter wie Heuschrecken um ihn herumschwirrten, wurde er nie verwundet.
    Füßchen Jiang, der Kommandant des Jiao-Gao-Regiments, berief zur Beratung über Hunger- und Kälteprobleme eine Offizierssitzung ein. Cheng Mazi hockte sich mit strenger Miene dazu und sprach kein Wort.
    «Alter Cheng», fragte ihn Füßchen Jiang, «was sollen wir deiner Meinung nach tun ?»
    Cheng Mazi gab keinen Ton von sich.
    Ein Korporal, der wie ein Intellektueller aussah, meldete sich zu Wort: «Wie die Dinge stehen, ist es gleich, ob wir uns hier in Nordost-Gaomi verschanzen oder ob wir einfach auf den Tod warten. Wir sollten diese Todesfalle verlassen und uns zu den Baumwollfabriken in Süd-Jiao durchschlagen, damit wir zu Kleidung kommen. Außerdem ist die Gegend reich an Süßkartoffeln, so dass es auch kein Ernährungsproblem gibt.»
    Kommandant Jiang zog eine hektographierte Zeitung aus der Hemdtasche und sagte: «In den Nachrichten hieß es, die Lage in Süd-Jiao sei noch schlimmer als hier. Die Eisenbrigade ist von den Japanern umzingelt und niedergemacht worden. Dagegen ist die Gemeinde Nordost-Gaomi ein ideales Gelände für den Partisanenkampf. Das Land ist weit, die Dörfer liegen verstreut, und die Japaner und ihre Marionettentruppen sind hier schwächer. Der größte Teil der Hirseernte ist letztes Jahr nicht eingebracht worden, so dass wir uns besser verstecken können. Wir müssen nur das Nahrungs- und Kleidungsproblem lösen. Wenn wir nur durchhalten, bekommen wir schon noch eine Chance zuzuschlagen.»
    Ein Offizier mit hagerem Gesicht sagte: «Hältst du das für möglich? Wo sollen wir Stoff finden? Und was ist mit Watte für das Futter? Wie steht es um den Proviant? Wir haben nichts zu essen außer knospender Hirse. Das wird uns umbringen. Mein Vorschlag ist, dass wir so tun, als wollten wir uns dem Kommandanten des Marionettenregiments Zhang Zhuxi ergeben. So könnten wir an gefütterte Kleidung herankommen, unsere Munitionsvorräte ergänzen und dann wieder verschwinden.»
    Wütend sprang der intellektuelle Korporal auf und fragte : «Sollen wir etwa Verräter werden?»
    Der Offizier verteidigte sich: «Wer hat denn verlangt, dass du zum Verräter wirst? Ich habe gesagt, so tun, als ob wir uns ergeben wollten. In der Zeit der Drei Reiche im Altertum haben große Feldherren wie Jiang Wei und Huang Gai das gleiche getan.»
    «Wir sind Widerstandskämpfer! Hunger kann unser Haupt nicht beugen, Kälte zwingt uns nicht in die Knie. Wer hier dem Feind Gefolgschaft leisten und seine Ehre verlieren will, wird es nur über meine Leiche tun!»
    Verärgert antwortete der Offizier: «Ist es die Aufgabe der Widerstandskämpfer, zu verhungern und zu erfrieren? Nein! Wir müssen listig und flexibel handeln. Geduld ist ein Teil unserer Taktik. Wir können den Widerstandskampf nur gewinnen, wenn wir unsere Kräfte bewahren.»
    «Genossen», sagte Kommandant Jiang, «genug gestritten! Wer etwas zu sagen hat, soll warten, bis er dran ist.»
    «Ich habe einen Plan, Kommandant», sagte Cheng Mazi.
    Als er Füßchen Jiang von seinem
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