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Das Reisebureau Thompson und Comp.

Das Reisebureau Thompson und Comp.

Titel: Das Reisebureau Thompson und Comp.
Autoren: Michel Verne
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trübe Nebelstimmung. Die Positionslichter der Schiffe blieben ebenso unsichtbar wie die Laternen Londons. In der wie von nasser Baumwolle beschwerten Luft erstarb sogar der Lärm der Riesenstadt, die nach und nach in Schlaf zu sinken schien.
    Plötzlich rief da im Dunkel aus der Nähe der Schanzkleidungslücke her eine Stimme:
    »Abel!«
    Eine zweite Stimme rief denselben Namen und zwei andre wiederholten nacheinander:
    »Abel!… Abel!… Abel!«
    Dann folgte ein Gemurmel. Die vier Stimmen vereinigten sich zu Ausrufen der Bestürzung, der größten Angst.
    Ein vierschrötiger Mann galoppierte an Morgan so nahe vorbei, daß er ihn fast streifte, und rief immer wieder:
    »Abel!… Abel!«
    Sein Ton klang so verzweifelt und doch so komisch, er verriet deutlich eine so große Beschränktheit des Mannes, daß sich Morgan des Lächelns nicht enthalten konnte.
    Dieser breitschulterige Reisende sollte also auch einer seiner spätern Herren sein.
    Übrigens beruhigte sich bald alles. Man vernahm eine Knabenstimme, daneben krampfhaftes Schluchzen, und der dicke Mann rief:
    »Da ist er!… Ich habe ihn!«
    Nun begann wieder das allgemeine, unverständliche Gesumme von Stimmen, nur etwas schwächer. Der Zudrang von Reisenden nahm allmählich ab und hörte endlich ganz auf. Zuletzt war nur noch Thompson in dem hellerleuchteten Mittelgange sichtbar, doch auch er verschwand bald durch die Tür das Salons. Robert Morgan blieb auf seinem Platze zurück, nach ihm fragte, um ihn kümmerte sich ja niemand.
    Halb acht Uhr waren die Matrosen ins Takelwerk gestiegen und hatten ein weißes Licht am vordern Maste, ein grünes an Steuerbord und ein rotes an Backbord angezündet. Das – vorschriftsmäßige – weiße Licht in Fahrt begriffener Dampfer am Stagseile des Mastes war vor Nebel allerdings nicht sichtbar.
    So war alles zur Abfahrt bereit, wenn diese eben durch den Nebel nicht vorläufig verhindert wurde.
    Doch nein, das sollte nicht der Fall sein.
    Zehn Minuten vor acht Uhr sprang ein scharfer Wind in kurzen Stößen auf. Die Nebelwolken verdichteten sich schnell und es rieselte ein feiner, eisiger Regen hernieder. Die Lichter der Schiffe tauchten auf, zwar matt und trübe, aber doch endlich sichtbar.
    Sofort erschien ein Mann auf dem Spardeck. Eine Goldborte glänzte. Man hörte feste Schritte. Der Kapitän bestieg die Kommandobrücke.
    Durch die Nacht ertönte seine Stimme herunter:
    »Alle Mann auf Deck! Zur Abfahrt fertig machen!«
    Ein Geräusch von Tritten. Die Seeleute nahmen ihren Posten ein. Zwei nehmen, fast gerade unter Morgan, Platz, bereit, auf das erste Zeichen eine dort befestigte Trosse loszuwerfen.
    Jetzt fragt eine Stimme:
    »An der Maschine alles in Ordnung?«
    Gleich darauf läuft ein leises Zittern durch das Schiff, zischend strömt eine Dampfwolke aus, die Schraube macht einige Schläge, dann ruft eine dumpfe Stimme aus der Tiefe:
    »Alles klar!«
    Der Kapitän kommandiert von neuem:
    »Nach Steuerbord abfallen!
    – Nach Steuerbord abfallen!« wiederholt der unsichtbare zweite Offizier, der bei den Kranbalken steht.
    Ein Tau peitscht das Wasser mit lautem, gurgelndem Geräusch. Der Kapitän kommandiert:
    »Einen Schlag rückwärts!
    – Einen Schlag rückwärts! antwortet eine Stimme aus dem Maschinenraume.
    – Stopp!«
    Alles wird wieder still.
    »Ruder zurück!… Halbe Kraft! Vorwärts!«
    Das Schiff erbebt wieder. Die Maschine setzt sich in Bewegung.
    Noch einmal wird die Fahrt kurze Zeit unterbrochen; ein Boot stößt ans Schiff, nachdem es die am Lande befestigten Sorrtaue losgeworfen hat.
    Sofort setzt sich das Fahrzeug wieder in Bewegung.
    »Das Boot aufgehißt!« ruft die Stimme des Obersteuermanns.
    Ein wirres Geräusch von Blöcken, die auf das Deck aufschlagen. Dann stimmen die Matrosen, um in gleichmäßigem Takte zu ziehen, ein Lied in Moll an:
     
    Er hat zwei Mädels… ‘was Schönres gibt’s nicht!
    Goth boy falloë! Goth boy falloë!
    Er hat zwei Mädels… ‘was Schönres gibt’s nicht!
    Hurra, nach Mexiko… o… o!
     
    »Etwas schneller! ruft der Kapitän.
    – Etwas schneller!« wiederholt der zweite Offizier (der Obersteuermann).
    Schon hat man die letzten, auf dem Strom liegenden Schiffe hinter sich gelassen. Der Weg wird freier.
    »Volldampf voraus! kommandiert der Kapitän.
    – Volldampf voraus!« tönt es als Echo aus der Tiefe zurück.
    Die Schraube dreht sich schneller. Das Wasser wird aufgewühlt.
    Das Schiff hat seine Fahrt angetreten. Die Reise hat begonnen.
    Morgan
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