Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Reisebureau Thompson und Comp.

Das Reisebureau Thompson und Comp.

Titel: Das Reisebureau Thompson und Comp.
Autoren: Michel Verne
Vom Netzwerk:
Fahrzeug. Er warf Morgan einen Gruß freundschaftlichen Wohlwollens zu und ging dann mit unruhigen, zum Himmel gerichteten Blicken ein Stück hin und her.
    Der Nebel nahm noch weiter zu und wurde bald so dicht, daß er die Abfahrt ernstlich in Zweifel stellte. Die Häuser sah man schon gar nicht mehr, und auf den Kais schwebten nur wunderliche Schattengestalten hin. Auf dem Strom bildeten die Masten der nächstliegenden Schiffe im Nebel undeutliche Linien, und verhüllt vom gelblichen Dunste schlich das Wasser der Themse geräuschlos und unbemerkbar dem Meere zu. Alles war von Feuchtigkeit getränkt; man atmete sozusagen Wasser.
    Morgan schüttelte sich plötzlich vor Frost, er fühlte sich fast gänzlich durchnäßt und holte sich einen Kautschukmantel, unter dessen Schutze er seinen Beobachtungsposten wieder einnahm.
    Gegen sechs Uhr tauchten vier Diener, unklar erkennbar, im Mittelgange auf, machten vor der Kabinentür des ersten Offiziers Halt und setzten sich in Erwartung ihrer zukünftigen Herren auf eine Bank zusammen.
    Erst um halb sieben fand sich der erste Reiseteilnehmer ein. Robert Morgan glaubte das wenigstens, weil er Thompson eiligst davongehen und wie vom Nebel verhext verschwinden sah. Gleichzeitig kam Leben in die Stewards, ein Gewirre von Stimmen wurde laut und halberkennbare Gestalten schlüpften unten vor dem Spardeck vorüber.
    Als ob der Ankömmlung ein Signal zum Antreten gegeben hätte, wälzte sich von dieser Minute an der Zug der Reisenden ununterbrochen heran, so daß Thompson immer zwischen dem Gange zum Salon und der Öffnung in der Bordwand wie ein Weberschiffchen hin-und herschnellen mußte. Die Touristen folgten ihm auf der Ferse. Ob Männer, Frauen oder Kinder? Das hätte man kaum bestimmt sagen können. Sie tauchten auf und verschwanden wieder wie geisterhafte Wesen, deren Gesicht Morgan nicht erkennen konnte.
    Doch hätte er denn nicht auch selbst an Thompsons Seite sein, ihm seine Hilfe anbieten müssen, und hätte er nicht von diesem Augenblicke an seine Rolle als Dolmetscher aufnehmen sollen? Leider fehlte es ihm dazu an Mut. Plötzlich überfiel ihn, wie ein akutes und furchtbares Fieber, eine tiefe Niedergeschlagenheit, unter der ihm das Herz zu Eis erstarrte. Die Ursache dazu hätte er nicht nennen können, und übrigens dachte er auch gar nicht daran, sie sich klar zu machen.
    Jedenfalls war es der Nebel, der seine Seele lähmte. Die düstre Wolke erstickte ihn, beengte ihn wie die Mauern eines Kerkers.
    Bestürzt durch seine Verlassenheit, blieb er sitzen, während ihm vom Landgange, von den Kais, von ganz London das Geräusch geschäftigen Treibens ans Ohr schlug, das Leben und Treiben unsichtbarer Wesen, mit denen er nichts gemein hatte und nie gemein haben würde.
    Inzwischen war der Dampfer »aufgewacht«. Durch das Skylicht des Salons drangen Lichtstrahlen in das Nebelmeer. Auf dem Deck wurde es geräuschvoller. Verschiedene Reisende, die nicht zu sehen waren, fragten laut nach ihrer Kabine. Matrosen eilten wie Schatten nach allen Seiten.
    Um sieben verlangte schon ein Reisender im Coffeeroom lachend einen Grog. Als es kurz darauf einige Augenblicke etwas ruhiger war, ertönte vom Deck her eine trockene, befehlerische Stimme.
    »Ich glaube Sie doch ersucht zu haben, etwas aufmerksam zu sein!«
    Morgan beugte sich nach unten. Da bewegte sich ein langer, dünner Schatten und hinter ihm zwei kaum sichtbare andre, vielleicht ein paar Frauen.
    In diesem Augenblick zerteilte sich der Nebel, der eine Sekunde lang durch eine noch zahlreichere Gruppe gleichsam zurückgedrängt wurde. Morgan erkannte mit Gewißheit drei Frauen und einen Mann, die unter Führung Thompsons und vierer mit Gepäck beladner Seeleute eiligst dahinschritten.
    Er beugte sich noch weiter hinaus, doch der Nebelvorhang schloß sich wieder… dicht, undurchdringlich. Die Unbekannten verschwanden unerkannt.
    Mit dem halben Körper über die Bordwand hinausgelehnt, starrte Morgan mit weit offnen Augen hinunter. Für keinen einzigen dieser Leute tat er heute nur das Geringste.
    Und was sollte er morgen für sie sein? Eine Art Faktotum, fast ein vorübergehend angenommener Diener. Einer, der den Kutscher spielt und den Wagen nicht bezahlt; einer, der das Zimmer behütet, es aber nicht selbst bewohnt, einer, der mit dem Hotelier verhandelt und ungewohnte Gerichte verlangt. Da bedauerte er lebhaft seinen Entschluß und sein Herz erfüllte sich mit Bitterkeit.
    Allmählich kam die Nacht heran und vermehrte nur die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher