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Das Reigate-Rätsel

Das Reigate-Rätsel

Titel: Das Reigate-Rätsel
Autoren: Sir Arthur Conan Doyle
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war das ein Vorschlag, den ich nicht anne hmen konnte, denn ich war sein alter Begleiter und sein Freund. Bei diesem Gespräch befanden wir uns in einem Straßburger Cafe und diskutierten wohl eine halbe Stunde miteinander. Aber am Abend des gleichen Tages setzten wir unsere gemeinsame Reise fort und befanden uns auf der Reise nach Genf.
    Eine herrliche Woche lang wanderten wir das grandiose Rhonetal hinauf. Danach reisten wir von Leut aus über den Gemmipaß, der immer noch tiefverschneit war. Wir wollten auf diese Weise von Interlaken nach Meiringen kommen. Es war eine herrliche Reise. Das zarte Grün des Frühlings unter uns, das jungfräuliche Weiß des Winters über uns. Aber es war mir auch ganz klar, daß Sherlock Holmes nicht einen Augenblick den Schatten vergaß, der über ihm lag. Egal, ob in den heimeligen Alpendörfern oder bei den einsamen Bergwanderungen, immer wieder konnte ich seinen schnellen Blick wahrnehmen und seine scharfen Augen, wie sie blitzschnell vorübergehende Menschen zu durchschauen versuchten. Er war überzeugt, daß die Gefahr sein ständiger Begleiter war. Wo immer er hinging, da ging auch die Gefahr. Sie hatte sich uns an die Fersen geheftet.
    Ich erinnere mich noch gut an eine bestimmte Gelegenheit. Wir hatten den Gemmipaß überquert und gingen am Ufer des melancholischen Daubensees dahin. Plötzlich löste sich ein riesiger Felsstein, der sich wohl aus dem Geröll gelöst hatte, der zu unserer Rechten niedersauste und mit gewaltigem Platschen im See landete.
    Im nächsten Augenblick war Holmes auch schon auf den Felsen geklettert und stand gleich darauf auf einem luftigen, hohen Stein und sah sich nach allen Seiten hin um. Umsonst versicherte uns unser Führer, daß um diese Jahreszeit die Steine leicht ins Rollen kommen.
    Holmes sagte nichts, aber er lächelte wie jemand, der sieht, daß etwas, was er erwartet hat, sich erfüllt. Aber bei all seiner Wachsamkeit war er niemals deprimiert, im Gegenteil, ich kann mich nicht erinnern, ihn jemals vergnügter und exaltierter gesehen zu haben. Immer wieder sprach er aus, daß, wenn er die Menschheit nur von Professor Moriarty befreien könnte, er selbst gerne auf seine Karriere verzichten würde.
    »Ich glaube, Watson, ich kann sogar soweit gehen, daß ich nicht ganz umsonst gelebt habe«, bemerkte er. »Wenn ich meine Bücher heute schließen müßte, würde ich es mit Ruhe und Gelassenheit hinnehmen. Weil es mich gegeben hat, wird man die Luft in London leichter atmen können. In mehr als tausend Fällen habe ich nicht ein einziges Mal für die falsche Seite gearbeitet.
    In der letzten Zeit habe ich tiefer geblickt und mehr die Natur der Dinge gesehen, statt immer nur die Oberfläche zu betrachten, für die unsere künstliche Gesellschaft verantwortlich ist. Ihre Memoiren nähern sich an dem Tage ihrem Ende, mein lieber Watson, an dem ich meine Karriere kröne und den größten und gefährlichsten Verbrecher zur Strecke bringe, den Europa jemals hervorgebracht hat.«
    Ich werde versuchen, es kurz zu machen, und dennoch will ich genau beschreiben, was sich zugetragen hat, denn im Grunde gibt es nur noch sehr wenig zu berichten. Mein Le ser wird verstehen, daß ich mich sehr ungern mit diesem Thema befasse, und doch ist mir klar, daß ich keine Details auslassen darf.
    Am dritten Mai waren wir in dem kleinen Dorf Meiringen angekommen. Im Englischen Hof, der von dem älteren Peter Steiler geführt wird, nahmen wir uns Zimmer. Unser Wirt war sehr intelligent und sprach ein ausgezeichnetes Englisch, denn er war drei Jahre lang Kellner im Grosvenor Hotel in London gewesen. Auf seinen Vorschlag hin unternahmen wir am 4. Mai eine Wanderung über die Berge. Die Nacht wollten wir in dem kleinen Dörfchen Rosenlaui verbringen. Er schlug uns vor, auf gar keinen Fall die Reichenbachfälle zu verpassen, die auf halbem Wege lagen. Um sie zu sehen, mußten wir einen kleinen Umweg machen.
    Es war wirklich ein Ort zum Fürchten. Der Wasserfall war geschwollen von dem vielen Schmelzwasser und schoß mit gewaltigem Getöse in einen Abgrund hinein, der wie ein bodenloses Loch anmutete. Um den Wasserfall herum sprühte der Dampf auf wie Rauch aus einem brennenden Haus. Der Schacht, in den sich der Fluß ergoß, war wie eine gewaltige Erdspalte, umgeben von glitzernden, kohlschwarzen Felsen. Durch diesen Schacht immer enger scheinender Felsen hindurch tobte die Flut schäumend und kochend in unermeßliche Tiefen hinein. Dieses gewaltige Band von grünlichem
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