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Das Rad der Zeit. Das Vermächtnis des Don Juan

Das Rad der Zeit. Das Vermächtnis des Don Juan

Titel: Das Rad der Zeit. Das Vermächtnis des Don Juan
Autoren: Carlos Castaneda
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also, rundheraus gesagt, direkt vor dem Krieger«, sagte Don Juan.
    Zu jener Zeit betonte er unentwegt das Konzept des Kriegers. Der Krieger, meinte er, sei natürlich wesentlich mehr als ein bloßes Konzept. Der Krieger sei eine Lebensweise, und diese Lebensweise sei die einzig mögliche Abwehr gegen die Angst, der einzige Kanal, den ein praktizierender Schamane nutzen könne, um den Fluss seiner Aktivitäten frei strömen zu lassen. Ohne das Konzept des Kriegers seien die Hindernisse auf dem Pfad des Wissens unüberwindbar. Don Juan definierte den Krieger als den Kämpfer schlechthin. Es sei eine Stimmungslage, die durch das Wollen der Schamanen aus der Frühzeit begünstigt würde; eine Stimmung, in die jeder Mensch sich versetzen könne.
    »Das Wollen dieser Schamanen«, sagte Don Juan, »war so geschärft und so mächtig, dass es die Krieger-Struktur bei jedem Menschen festigte, der damit in Berührung kam, auch wenn er sich dessen vielleicht nicht bewusst war. « Kurz gesagt, der Krieger war für die Schamanen des alten Mexiko ein Kämpfer, so exakt auf den Kampf in seiner Umwelt eingestellt und so außerordentlich wachsam, dass er, in reinster Ausprägung, nichts Überflüssiges zum Überleben brauchte. Es war unnötig, einem Krieger etwas zu schenken, ihn mit Worten oder Taten aufzumuntem oder ihm Trost und Belohnung zu bieten. All diese Dinge waren schon in der Struktur des Kriegers selbst angelegt. Da diese Struktur durch das Wollen der Schamanen im alten Mexiko definiert war, sorgten sie dafür, dass jede vorhersehbare Situation berücksichtigt würde. Das Endergebnis war ein Kämpfer, der allein kämpfte und aus seinen eigenen, stillschweigenden Überzeugungen alle Kraft schöpfte, die er zu seinem Fortkommen brauchte, klaglos und ohne Lob zu begehren. Ich persönlich fand das Konzept des Kriegers faszinierend, und zugleich empfand ich es als eines der beängstigendsten Dinge, die mir je untergekommen waren. Ich fand, es sei ein Konzept, das, falls ich es übernähme, mich versklaven und mir weder Zeit noch die Neigung belassen würde, zu protestieren, meine Situation zu überprüfen oder mich zu beklagen. Mich zu beklagen war eine lebenslange Gewohnheit von mir, und ich wollte wahrhaftig mit Zähnen und Klauen darum kämpfen, sie nicht aufgeben zu müssen. Ich glaubte, sich zu beklagen sei das Zeichen eines sensiblen, tapferen, aufrechten Menschen, der keine Bedenken hat, sich Rechenschaft zu geben über die Gegebenheiten seines Lebens, über seine Vorlieben und Abneigungen. Wenn ich all dies eintauschen sollte, um eine Kampfmaschine zu werden, musste ich mehr verlieren, als ich mir leisten konnte.
    Dies waren meine inneren Gedanken. Und dennoch sehnte ich mich nach der Zielstrebigkeit, der Ruhe, der Tüchtigkeit des Kriegers. Große Hilfe bot den Schamanen des alten Mexiko, als sie ihr Konzept des Kriegers entwarfen, die Vorstellung, den Tod zum Gefährten zu wählen, zum Zeugen unserer Taten. Sobald diese Prämisse, in welch abgeschwächter Form auch immer, akzeptiert sei, sagte Don Juan, sei eine Brücke geschlagen über die Kluft zwischen unserer Alltagswelt und etwas, das dort draußen vor uns liegt und keinen Namen hat; etwas, das im Nebel verloren ist und nicht zu existieren scheint; etwas so furchtbar Unklarem, dass es nicht als Bezugspunkt dienen kann und dennoch da ist, unbestreitbar gegenwärtig.
    Das einzige Lebewesen auf Erden, behauptete Ebn Juan, das fähig sei, diese Grenze zu überwinden, sei der Krieger: lautlos in seinem Kampf, unaufhaltsam, weil er nichts zu verlieren hat, sachlich und wirkungsvoll, weil er alles zu gewinnen hat.

 
Zitate aus  
Reise nach Ixtlan
      
    Kaum je erkennen wir, dass wir alles aus unserem Leben ausschließen können, jederzeit, in einem Augenblick.
    Man sollte sich nicht dämm kümmern, Foto- oder Tonbandaufnahmen festzuhalten. Dies sind überflüssige Dinge des sesshaften Lebens. Man sollte sich um den Geist kümmern, der immer flüchtig ist.
    Ein Krieger braucht keine persönliche Geschichte. Eines Tages findet er, dass er sie nicht mehr braucht, und er wirft sie weg.
    Die persönliche Geschichte muss stets erneuert werden, indem man Eltern, Verwandten und Freunden alles erzählt, was man tut. Ein Krieger dagegen, der keine persönliche Geschichte hat, braucht keine Erklärungen zu geben; niemand ist böse oder enttäuscht über seine Taten. Und vor allem, niemand legt ihn mit Gedanken und Erwartungen fest.
    Wenn nichts sicher ist, bleiben wir
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