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Das Rad der Zeit. Das Vermächtnis des Don Juan

Das Rad der Zeit. Das Vermächtnis des Don Juan

Titel: Das Rad der Zeit. Das Vermächtnis des Don Juan
Autoren: Carlos Castaneda
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wechseln. Diese Stelle heißt bei den Schamanen der Platz ohne Mitleid.
     
    Es bedarf eigentlich keiner besonderen Methoden, um den Montagepunkt auf den Platz ohne Mitleid wechseln zu lassen. Der Geist berührt die Person, und deren Montagepunkt bewegt sich. So einfach ist das.
     
    Damit die Magie uns ergreifen kann, müssen wir alle Zweifel aus unserem Denken verbannen. Sobald die Zweifel verbannt sind, ist alles möglich.
     
    Die Möglichkeiten des Menschen sind so ungeheuer und geheimnisvoll, dass die Krieger, statt darüber nachzudenken, sie lieber erforschen - ohne Hoffnung, sie je zu verstehen.
     
    Alles, was ein Krieger tut, geschieht infolge einer Bewegung seines Montagepunktes, und diese Bewegung ist durch das Quantum an Energie bestimmt, das dem Krieger zu Gebote steht.
     
    Jede Bewegung des Montagepunktes bedeutet ein Abrücken von der übermäßigen Beschäftigung mit dem persönlichen Selbst. Die Schamanen glauben, dass es die Position des Montagepunktes ist, die den modernen Menschen zu einem mörderischen Egoisten macht, zu einem völlig in sein Selbstbild vertieften Wesen. Ohne Hoffnung, jemals zum Ursprung aller Dinge zurückzukehren, sucht der gewöhnliche Mensch Trost in seiner Selbstsucht.
     
    Das Ziel auf dem Weg der Krieger ist, die Selbstgefälligkeit vom Thron zu stürzen. Alles, was Krieger tun, ist aufs Erreichen dieses Zieles gerichtet.
     
    Die Schamanen haben die Selbstgefälligkeit demaskiert und herausgefunden, dass sie nur Selbstmitleid ist, getarnt als etwas anderes.
     
    In der Alltagswelt kann man sein Wort oder seine Entscheidung sehr leicht zurücknehmen. Das einzig Unwiderrufliche in der Alltagswelt ist der Tod. In der Welt der Schamanen dagegen kann der normale Tod widerrufen werden, nicht aber das Wort der Schamanen. In der Welt der Schamanen können Entscheidungen nicht geändert oder revidiert werden. Einmal getroffen, gelten sie für immer.
     
    Eine der spannendsten Feststellungen über die menschliche Kondition ist der makabre Zusammenhang zwischen Dummheit und Selbstbespiegelung. Nur Dummheit zwingt den gewöhnlichen Menschen, alles abzulehnen, was nicht mit seinen, sein Selbst spiegelnden Erwartungen übereinstimmt. Zum Beispiel sind wir als gewöhnliche Menschen blind für die wichtigste Erkenntnis, die uns Menschen zuteil werden kann: die Existenz des Montagepunktes und die Tatsache, dass er sich bewegen kann.
     
    Beim rationalen Menschen gewährleistet das Festhalten an seinem Selbstbild seine abgrundtiefe Unwissenheit. Er ignoriert die Tatsache, dass Schamanimus nichts mit Beschwörungsformeln und Hokuspokus zu tun hat, sondern die Freiheit bietet, nicht nur die als selbstverständlich hingenommene Welt wahrzunehmen, sondern auch alles andere, menschenmöglich Erreichbare. Er zittert vor der Möglichkeit der Freiheit. Und die Freiheit ist zum Greifen nah.
     
    Das Dilemma des Menschen ist, dass er seine verborgenen Fähigkeiten ahnt, sie aber nicht zu nutzen wagt. Darum behaupten die Krieger, das Los des Menschen sei im Kontrapunkt zwischen seiner Dummheit und seiner Unwissenheit beschlossen. Heute mehr denn je braucht der Mensch Unterweisung in neuen Ideen - schamanistischen Ideen, nicht sozialen Ideen; Ideen, die von der Stellung des Menschen zum Unbekannten, von seiner Stellung zu seinem persönlichen Tod handeln. Mehr als alles andere braucht er heute Unterweisung in den Geheimnissen des Montagepunktes.
     
    Der Geist hört nur zu, wenn der Sprecher in Gesten spricht. Und Gesten bedeuten nicht Zeichen oder Körperbewegungen, sondern Taten wahrer Hingabe, Taten der Freigebigkeit, des Humors. Als Geste gegenüber dem Geist zeigen Krieger ihr Bestes und bieten es still dem Abstrakten dar.

Kommentar
    Das letzte Buch, das ich unmittelbar unter der Führung von Florinda Matus über Don Juan geschrieben habe, war Die Kraft der Stille, ein Titel, für den sich mein Verleger entschied. Ich dachte an den Titel The Inner Silence (Das innere Schweigen). Zu der Zeit, als ich an dem Buch arbeitete, waren meine Eindrücke von den Schamanen des alten Mexiko für mich sehr abstrakt geworden. Florinda versuchte nach Kräften, mich von meiner Vertiefüng in die Abstraktion abzulenken. Sie versuchte meine Aufmerksamkeit auf andere Aspekte alter schamanistischer Techniken zu lenken, oder sie versuchte mich zu zerstreuen, indem sie mich mit ihrem skandalösen Benehmen schockierte. Nichts aber war geeignet, mich von meiner scheinbar unausweichlichen Bahn abzulenken.
    Die Kraft
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